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"Ich habe tatsächlich alles!" – US-Superstar Jack Nicholson hat allen Grund zu lachen: In seinem neuen Film "Das Beste kommt zum Schluss" spielt er neben Morgan Freeman.

Foto: Reuters
Standard: Mr. Nicholson, eigentlich müssten Sie keine Interviews mehr geben, oder?

Jack Nicholson: Stimmt. Ehrlich gesagt müsste ich eigentlich gar nichts mehr tun (lacht).

Standard: Langweilt Sie so eine Interview-Tour nicht? Immer die gleichen Fragen und Antworten?

Nicholson: Ein weiser Mann ist nie gelangweilt! Ich wirke bei solchen Gelegenheiten stets charmant – aber ich gestehe: Ich bin nur ein eiskalter Profi. Als ich letztes Mal in Cannes einen Film präsentierte, sah ich die Pressekonferenzen meiner Kollegen. Jeder wirkte völlig lustlos. Genau diesen Effekt wollte ich vermeiden. Ich bot eine sehr lebendige Pressekonferenz auf dem Podium – aber glauben Sie denn, ich wäre wirklich besonders von den Fragen überrascht gewesen?

Standard: Was wäre für Sie eine Herausforderung? Haben Sie nicht alles, was man sich wünschen kann?

Nicholson: Ich habe tatsächlich alles! Vor Jahren hatte ich einen Tiefpunkt, wie ihn jeder von uns einmal hat. John Huston hat mir dann diese Geschichte eines erfolgreichen Pferdetrainers erzählt: Als der nach seinem Geheimnis gefragt hatte, lautete die Antwort: "Mit Pferden wird mir nie langweilig." Ich hatte mir einmal ein ganzes Jahr eine Auszeit genommen. Dabei habe ich gemerkt: Ich brauche die Arbeit. Nicht wegen des Geldes, sondern weil ich den Job einfach liebe.

Standard: Der Nicholson auf der Leinwand ist immer cool – wie lässig ist der Jack im realen Leben?

Nicholson: Ich habe im Beruf viel mehr Selbstbewusstsein als in meinem Leben. Ich kann als Wrack zum Drehen kommen, und in der nächsten Sekunde weiß ich genau, was ich tun muss. Das passiert ganz automatisch. Natürlich beklage auch ich mich bisweilen, so wie alle, über meinen Job. Aber ich liebe meinen Beruf. Aus diesem Grund bin ich damals Schauspieler geworden. Und ich bin glücklich, dass ich das heute noch immer so empfinde.

Standard: Wie anstrengend ist es, den wilden Mann in Hollywood zu geben?

Nicholson: Die Medien interessieren bei Stars eben immer die spektakulären Dinge – und ich habe eben sehr aufregende Zeiten durchlebt. Als ich meine Karriere in den 60er-Jahren begann, vollzog sich gerade der große Wandel in Hollywood: Filmstudios wurden aus Familienunternehmen zu Aktiengesellschaften. Diese Konglomerate hatten nur wenig Interesse an unabhängigen Filmen. Konglomerate zerstören alles – warum also nicht auch den Film.

Standard: Wie beurteilen Sie dann den aktuellen Streik der Drehbuchautoren?

Nicholson: Wer, wie ich, den Jimmy Hoffa gespielt hat (ein Korruptionsdrama über Gewerkschafter), kann so etwas nicht ganz so ernstnehmen. Seit ich in Hollywood bin, kenne ich Streiks und weiß, dass sie für viele Produzenten ganz nützlich sind, um unliebsame Verträge loszuwerden. Wenn das erledigt ist, gibt es eine Einigung. Ich erinnere mich an eine Gewerkschaftsversammlung mit Ronald Reagan als Präsident der Schauspielervereinigung – er hat unter Beifall einfach alle Forderungen der Gewerkschaft aufgegeben. Ich sah meinen Freund an und wir dachten: Was ist denn hier los?

Standard: Kennen Sie so etwas wie Selbstzweifel?

Nicholson: Vor meinem Erfolg als Schauspieler habe ich zwangsläufig oft gedacht, ich müsste mein Leben ändern. Seit meinem Durchbruch hatte ich dann sehr viel Glück. Ich hätte vielleicht gern öfter Regie geführt.

Standard: Wie zufrieden sind Sie mit den drei Filmen, die Sie selbst inszenierten?

Nicholson: Meine Selbsteinschätzung ist ziemlich realistisch: Ich habe nie einen erfolgreichen Film gedreht. Ich darf mich deshalb nicht wundern, dass es die Studios lieber hatten, wenn ich spiele, statt Regie zu führen. Dennoch bleibe ich Fantast. Ich habe mir zum Beispiel viele Gedanken gemacht, wie man das Internet revolutionieren könnte – ob aus diesen Ideen etwas wird, bleibt abzuwarten.

Standard: Welche Fantastereien hat Jack Nicholson noch?

Nicholson: Ich habe begonnen, mit meinen Kindern zu malen. Kleine Kinder sind so viel bessere Maler als Erwachsene.

Standard: Ab wann hat ein Schauspieler den Durchbruch geschafft?

Nicholson: Der Wendepunkt für jeden Schauspieler ist erreicht, wenn er nicht mehr zum Vorsprechen für eine Rolle gehen muss – das ist der Gradmesser für den Erfolg. Wenn man diesen Status einmal erreicht hat, ist alles nur noch Vergnügen.

Standard: Gibt es heute Darsteller, die Sie besonders mögen?

Nicholson: Sean Penn – es gibt keinen besseren Schauspieler als Sean Penn.

Standard: Warum geben Sie so gut wie nie Fernsehinterviews?

Nicholson: TV-Interviews sind für Schauspieler keine gute Idee. Zum einen tauchen diese Bilder für alle Ewigkeiten immer wieder auf, ohne dass man eine Kontrolle darüber hätte. Zum anderen macht das meine Job viel schwieriger, denn man kann das Publikum viel besser auf eine Reise entführen, wenn man sich noch Geheimnisse bewahrt.

Standard: Wer fast so bekannt ist wie Coca-Cola, dürfte gewisse Probleme mit dem Geheimsein haben?

Nicholson: Genau dort fängt meine Arbeit an: Die Zuschauer glauben, sie würden Jack Nicholson kennen. Und deswegen ist mein erster Arbeitsschritt, meine Rolle erst einmal zu "ent-Jack-en", wie ich das gerne nenne.

Standard: Das Gegenteil zum "ent-Jack-en" sind die Sonnenbrillen, die Sie ständig tragen – warum?

Nicholson: Das liegt vielleicht daran, dass ich einmal als Rettungsschwimmer begonnen habe. Es war später aber auch sehr nützlich, um seine Augen vor dem ständigen Blitzlichtgewitter zu schützen. Ich trage ständig andere Brillen – und die sind alle auf Rezept.

(Dieter Oßwald, DER STANDARD/Printausgabe, 23.01.2008)