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Rund um die Welt mit nicht viel mehr als einem Sofa: Durch Couchsurfing wird es möglich, rasend schnell eine Unterkunft und Freunde im Ausland zu finden.

Foto: Bruno Vincent / Getty Images
Es geht um Networking, für das ein Hang zur aktiven Selbstdarstellung im Internet die Voraussetzung ist.

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Wien - "Ein Hotel habe ich außer bei einem Familienurlaub vor ein paar Wochen lange nicht gesehen", beschreibt der 21-jährige Student Paul Strohmeier seine veränderten Reisegewohnheiten seit seiner Entdeckung des "Couchsurfens" durch eine Freundin vor drei Jahren. Dieses sogenannte "Surfen" ist die Verwirklichung des Traums des heute 29-jährigen Amerikaners Casey Fenton, der 1999 zusammen mit einem Franzosen, einem Brasilianer und einem weiteren Amerikaner die Internetseite CouchSurfing.com ins Leben rief.

Das Prinzip ist ein offener, kostenfreier Austausch von Gastfreundschaft rund um den Globus, welcher im Jänner 2008 etwa 414.000 Menschen in insgesamt 223 Ländern umfasst.

Schon bei der Registrierung bestimmt der "Couchsurfer" die Verwendbarkeit seiner Couch und wählt hier zwischen verschiedenen Engagements, die er den anderen Benutzern der Homepage anbietet, von "Ja, auf jeden Fall" über "Vielleicht" bis "Nein". Es besteht auch die Möglichkeit, das Profil auf "Meet for coffee or a drink" zu stellen, was vor allem jüngeren Leuten, welche noch bei den Eltern wohnen oder keinen Platz haben, die Möglichkeit biete, etwas zu unternehmen und "sich mit jemandem auszutauschen", meint Wolfgang Roth. Der 25-Jährige ist als "Country Ambassador" für Österreich tätig und mit den "City-" und "Global Ambassadors" in Kontakt, "wenn ein Mitglied dabei sein sollte, das sich falsch verhält".

Keine Fremdkörper

Schlechte Erfahrungen habe Sue Schwarz beim regelmäßigen "Hosten" ("Beherbergen") nicht gemacht, dafür ein paar "langweilige", denn man könne nicht erwarten, dass "alle Leute immer spannend sind". Die 27-jährige Studentin erfuhr vor etwa vier Jahren durch eine Begegnung mit einer Couchsurferin während einer Zugfahrt nach Berlin von dem Netzwerk und nahm in den letzten eineinhalb Jahren etwa 50 Leute bei sich zuhause auf.

Durch ihr anfangs nur spärlich ausgefülltes Profil ohne Foto "hostete" sie während der ersten sechs Monate ihrer Mitgliedschaft niemanden, was sich jedoch rasch änderte, als sie schließlich mehr von sich preisgab: "Ich habe geschrieben, dass ich auch mit den Leuten fortgehen und nicht nur als Hotel missbraucht werden möchte".

Auch Wolfgangs Hosting-Erfahrungen sind bis jetzt "durchwegs positiv" gewesen, außerdem empfinde man die Gäste nicht wie "Fremdkörper" in der Wohnung, sondern eher wie "Freunde, die bei dir übernachten". Selbst wenn man, laut Paul, "keinen Draht zueinander" habe, würde es funktionieren, da man "höflich miteinander umgeht". Folglich beschreibt er die Gefahr solcher Gastfreundschaft als nicht vorhanden: "Es ist dasselbe Risiko, wie wenn man zu einer Party zu Menschen kommt, die man über drei Ecken kennt".

Das Couchsurfing wird von den Mitgliedern als eine Art "interkulturellen Austauschs" empfunden, der nicht als, wie Wolfgang Roth es bezeichnete, "Gratisschlafen- und Billigreisen"-Sache abgestempelt werden solle, wie das oft medial der Fall ist, da viel mehr dahinterstecke, wie auch Roxelane Rahel betont.

Die 23-jährige Deutsche lebt und studiert seit eineinhalb Jahren in Wien und verbrachte die ersten sechs Wochen ihres Aufenthalts in Wien auf drei verschiedenen Couchen. Sie ist "City Ambassador" in Wien und lebt in ihrer WG unter anderem auch mit weiteren Couchsurfern zusammen.

Sie "hostet" regelmäßig und zeigt ihren Gästen gerne die Stadt, wenn sie Zeit hat. Auch Sue legt großen Wert auf den sozialen Faktor des Gastfreundschaftsnetzwerks, man könne durch die Begegnung mit Menschen fremder Kulturen "ein bisschen Reisen, ohne wegzufahren".

Das Publikum sei auch "vom Alter her sehr durchmischt", betont Paul Strohmeier, obwohl es doch "am ehesten Leute sind, die gerade mit der Schule fertig sind und die Welt sehen wollen".

Die Statistik der Homepage nennt ein Durchschnittsalter von 26 Jahren, wobei die am stärksten vertretene Altersgruppe der 18- bis 24-Jährigen einen Anteil von 46,8 Prozent, also etwa 194.000 Menschen, aller Couchsurfer ausmacht.

Ältere Surfer

Doch auch die ältere Generation ist präsent, die Anzahl der 70- bis 89-Jährigen weltweit beträgt immerhin 372 Mitglieder. Doch "jung zu sein heißt noch lange nichts", denn es sei vor allem eine Frage der Einstellung. Die älteren Surfer gebe es zwar, sie haben jedoch das Problem, nicht angeschrieben zu werden, da "kaum jemand bei einem 'alten Knacker' wohnen möchte", karikiert Sue.

Die Couchsurfer sind weit auf dem Globus verstreut, denn Paris steht mit nur 1,9 Prozent der Surfer - das sind lediglich 7830 Menschen - an erster Stelle der "Top Couchsurfing Städte". Dies bestätigt auch die Erfahrung Roxelanes, die in Toronto über einen Couchsurfer aus Wien in letzter Sekunde eine Unterkunft fand: "Je mehr Leute man kennt, desto sicherer gibt es immer jemanden, der irgendwo jemanden kennt". (Hannah Tiefengraber/DER STANDARD Printausgabe, 22. Jänner 2008)