Sicher redete Joschka Fischer bei einer vom STANDARD mitveranstalteten Diskussion.

Foto: DER STANDARD/Cremer

Aber bei welcher ertappte ihn "Heute"?

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Die "Kronen Zeitung" steht der Europäischen Union und ihrer Ausweitung bekanntlich ein wenig reserviert gegenüber. Das hindert sie nicht, die daraus erwachsenden Probleme in der Unaufgeregtheit, für die sie bekannt ist, zu berichten. So konnten ihre Leser gestern pauschal erfahren: Kriminelle kommen über offene Grenzen, und en détail: Nicht nur die Menschen im Burgenland und in Niederösterreich sind mit einem neuen Ansturm an Ladendieben, Automardern und Räubern konfrontiert. Auch in Wien nehmen Wohnungseinbrüche wieder überhand. Wie es dazu kommen konnte, liegt exakt auf der Blattlinie: Vor allem Übeltäter aus dem Osten "nützen" Schengenerweiterung gnadenlos aus. Das ganze Ausmaß der Gnadenlosigkeit darzustellen, überließ die "Krone" einem Hernalser Handwerker. So wurde etwa kürzlich das Opfer eines Wohnungseinbruchs in Wien-Hernals, als es sich eine neue Tür einbauen lassen wollte, vom Schlosser vertröstet: "Es wird ein bisserl dauern. Allein bei uns im Grätzel gab es in der Nacht 22 Coups."

Wenn ein Hernalser Schlosser - zu einem Gluthammer Nestroy'schen Formates emporwachsend - die Dramatik der Grätzellage nur noch mit der Formulierung 22 Coups angemessen zu beschreiben vermag, dann sollte es der Familie der "Krone"-Leser eiskalt über den Rücken laufen. Erst die Anregung eines gnadenlosen Grambachers auf der Leserbriefseite konnte sie glauben lassen, es gäbe noch Hoffnung: "Gehe nicht mehr ohne Pistole ins Freie!"

Kurz: Jedermann wird dafür Verständnis haben, dass ein Blatt, das so über Europa schreibt, mit keinem Wort von der Veranstaltung "Reden über Europa" Notiz nahm, bei der am Sonntag internationale Prominenz im vollbesetzten Burgtheater diskutierte. Das ist nur konsequent. Andere Medien ließen solche Konsequenz vermissen. Der ORF etwa berichtete in der ZiB von der Matinee, er vergaß dabei nur zu erwähnen, wer die Veranstalter - neben dem Standard das Institut für die Wissenschaften vom Menschen, Allianz-Stiftung, Burgtheater und Tanzquartier - waren. In den Seitenblicken würde ihm ein solcher Fauxpas kaum je unterlaufen. Auch "Die Presse" vergaß völlig, den Standard und die Mitorganisatoren zu erwähnen, und schrieb mit konkurrenzbedingter Zurückhaltung von einer Burgtheater-Diskussion, womit immerhin die Lokalität gut getroffen war.

Den Vogel gnadenloser Diskretion schoss die untergründige Schwester der "Krone" ab. "Heute" fasste die gesamte Veranstaltung in dem informativen Satz zusammen: Prominente Gäste wie der ehemalige deutsche Außenminister Joschka Fischer (Bild), Investor George Soros und Tschechiens Außenminister diskutierten Sonntag im Burgtheater über Europa. Ende.

Für ein Dichand-Blatt war das gar nicht so schlecht, und mehr brauchen U-Bahn-Fahrgäste wirklich nicht von Europa zu wissen. Dass Podiumsgast Anne-Marie Slaughter total und von Tschechiens Außenminister der Name unterschlagen wurde, wirkt im einen Fall uncharmant und im anderen wie eine Rache für Temelín. Was die Damnatio memoriae betrifft, hat es sich "Heute" aber nicht so leicht gemacht wie die anderen Medien, sich vielmehr zu einer Fleißaufgabe verstiegen, bei der der manipulative Aufwand im umgekehrten Verhältnis zum Informationsgehalt des Textes stand: Man hat sich sogar die Mühe gemacht, den Namen Standard vom Foto wegzuretuschieren.

Aber sonst ist die Europa-Berichterstattung von "Heute" einwandfrei. Das Blatt hat für diesen Zweck einen praktikablen Menschentypus entwickelt - den des Ost-Täters : Ost-Täter plündern Pfarrhof-Geldschrank. Es kam zum Kampf! Dabei wurde der Geistliche stranguliert - ins Spital! Von den Tätern fehlt jede Spur. Doch nicht jede! Führt sie nicht klar in den Osten? (Günter Traxler, DER STANDARD; Printausgabe, 22.1.2008)