Weniger neu waren die Botschaften: Ja zum Familiensplitting, Nein zur Gegenfinanzierung der Steuerreform.

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Gmunden – Der Chefkoch der ÖVP heißt Wilhelm Molterer. Das ist spätestens seit Donnerstagabend klar, als der Vizekanzler seine Parteifreunde bei der ÖVP-Neujahrsklausur in Gmunden mit selbstgefertigtem Reisfleisch verwöhnte. Überhaupt setzte ÖVP-Chef Wilhelm Molterer auf eine gänzlich neue Inszenierung. In Gruppendiskussionen wurde am Freitag versucht, die Stimmung der Parteibasis einzufangen. Die Ergebnisse wurden per E-Mail an die Kongressleitung geschickt.

Ein Vertrauter von Vizekanzler Molterer: „Unter einem ÖVP-Chef Schüssel wäre es undenkbar gewesen, dass wir mit 500 Leuten eine öffentliche Diskussion abhalten.“ Wie es in ÖVP-Kreisen heißt, will Molterer endlich die Gerüchte ausräumen, er stehe im Schatten seines Vorgängers Wolfgang Schüssel. Dieser fehlte beim Jahresauftakt übrigens aus gesundheitlichen Gründen.

Schelte für die SPÖ

Neue inhaltliche Ansagen gab es am zweiten Tag der Veranstaltung nicht. Umweltminister Josef Pröll versicherte, die Parteispitze werde weiter auf die Umsetzung der Vorschläge aus den ÖVP-Perspektivengruppen drängen. Eine Schelte gab es dabei für die SPÖ, die den schwarzen Wunsch nach einem Familiensplitting-Modell im Steuerrecht als „retro“ ablehnt. „Dort, wo Kinder sind, muss es Steuererleichterungen geben“, sagte Pröll. Der Koalitionspartner wolle aber offenbar nichts an der seinerzeitigen Politik von Bruno Kreisky ändern. Nur: „Was Kreisky gemacht hat, steht nicht in der Verfassung und ist kein Grundrecht.“

Dran bleiben will der Umweltminister auch bei der Diskussion über ein Mehrheitswahlrecht. Diese müsse – trotz Bedenken bei SPÖ und in den eigenen Reihen – geführt werden. Grundsätzliche Unterstützung gab es in dieser Frage sogar von Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl, der eigentlich ein großer Anhänger der großen Koalition ist. „So lange SPÖ und ÖVP problemlösungsfähig und -willig sind, sollen sie zusammenarbeiten. Wenn sie aber prinzipiell nicht mehr miteinander können, dann sollen sie ein Mehrheitswahlrecht beschließen“, sagte Leitl zum Standard.

Parteichef Molterer verzichtete in seiner gut halbstündigen Rede zwar auf direkte Angriffe auf die SPÖ, machte aber klar, dass in den nächsten Monaten weitere Konflikte zu erwarten sind. Für die Steuerreform 2010 erteilte er vereinzelten roten Forderungen nach einer Gegenfinanzierung eine Absage. „Gegenfinanzierung heißt Steuererhöhung.“ Und eine Steuerreform auf Pump wäre für Molterer „Raub an der Zukunft unserer Jugend“.

„Offene Wertedebatte“

Wie zuletzt bei der Pflegedebatte werde man sich aber auch weiter als „soziale Partei“ positionieren, sagte Molterer. „Das ist ein Kampfauftrag“, gab er den Seinen mit auf den Weg.

Neuerlich klare Worte fand der ÖVP-Chef für die umstrittenen Aussagen der Grazer FPÖ-Kandidatin Susanne Winter zum Islam. „Offene Wertedebatte führen – ja. Aber wenn jemand versucht, Religionen herabzuwürdigen, dann hat das in Österreich keinen Platz“, sagte Molterer ohne Winter beim Namen zu nennen.

Naturgemäß kritisch äußerte sich die SPÖ zum ÖVP-Neujahrsempfang. Bundesgeschäftsführer Josef Kalina wollte ein „Burn-out-Syndrom“ der Volkspartei erkannt haben und sah sich „nur mit Frust und Bösartigkeiten“ konfrontiert. „Streit, Zank und Gehässigkeiten“ ortete FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl. Kritik und Häme für die ÖVP gab es auch seitens der Grünen und des BZÖ. (Günther Oswald/DER STANDARD, Printausgabe, 19.1.2008)