Franz Bogner.

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Als die TV-Werbung laufen lernte und Product-Placement noch ein Fremdwort war.

Foto: Krautbauer/History Channel

Spots aus der Frühzeit des Fernsehens.

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Wer was wofür springen lässt, ist für heutige Medienkonsumenten kaum mehr durchschaubar: "EURO-2008-Tanzerei" beim ORF-Neujahrskonzert.

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Ein kritischer Blick auf die "sauren Wiesen" der heimischen Medienlandschaft - nicht nur am Beispiel der Praktiken des öffentlich-rechtlichen ORF.

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Viele Werber tun's, manche PR-Leute tun's, viele Unternehmen und öffentliche Stellen tun's und fast alle Massenmedien tun's - und alle leugnen es: Schleichwerbung.

Prominentester Schleichwerbungsleugner der letzten Tage: der ORF. Laut seinem Sprecher sei, nachzulesen im STANDARD, die Bezahlung für die einzelnen Episoden in der Pausensendung zum Neujahrskonzert rechtlich und journalistisch kein Problem.

Da sagt also ein öffentlich-rechtlicher Sender, der zur Objektivität und zur klaren Trennung von Redaktion und Werbung verpflichtet ist, ohne mit der Wimper zu zucken, dass es völlig in Ordnung sei, wenn dem p. t. Publikum ein informativer Querschnitt über Österreich und die kommende Fußball-Euro vorgegaukelt wird, in Wirklichkeit aber nur das gezeigt wird, wofür ordentlich bezahlt wurde. Frage: Sind auch für die Euro 08-Tanzerei vor der Karlskirche und für das EURO-2008-Schalumhängen der Philharmoniker entsprechende Summen geflossen?

"Botschaften optimieren"

Wie weit der ORF schon im Schleichwerbestrudel gefangen ist, zeigt ja auch die Gründung einer eigenen Enkel-Gesellschaft für sogenannte "Sonderwerbeformen". So wird nämlich im ORF Schleichwerbung umschrieben. Nach Mitteilung des Branchenblattes "Horizont" soll dadurch erreicht werden, "...dass die Projektmanager für die Sonderwerbeformen näher an die einzelnen Redaktionen rücken, sodass die Verzahnung von redaktionellen Inhalten und Werbebotschaften optimiert wird". Was wohl nichts anderes heißen kann, als dass die redaktionelle Berichterstattung, also die Arbeit von unabhängigen, objektiven Journalisten, systematisch von Werbebotschaften unterwandert wird.

Und das im öffentlich-rechtlichen ORF. Bei Privatsendern und auch bei der großen Mehrheit der Printmedien ist es ohnehin schon Usus, die Medienkonsumenten an der Nase herumzuführen und ihnen Werbebotschaften als redaktionelle Kost zu verkaufen. Sehr oft passiert dies unter Inkaufnahme von Gesetzesverstößen, weil die vorgeschriebene Kennzeichnung solcher entgeltlicher, redaktionell anmutender Beiträge mit den Worten "Werbung", "Anzeige" oder "entgeltliche Einschaltung" nicht erfolgt.

Der Schleichwerbebrei ist ist zähflüssig: Er firmiert unter "Produktionskostenzuschuss", "Druckkostenbeitrag", "Product-Placement", "Patronanzbeitrag", "Advertorial", "Medienkooperation", "Sonderwerbeform" oder unter sonstigen Phantasienamen - nur ja nicht als Werbung, denn als solches soll es der für blöd verkaufte Medienrezipient nicht erkennen. Und da fast alle Medien solches praktizieren, wird auch kaum darüber berichtet (von Einzelfällen wie dem STANDARD-Interview mit dem Medienrechtler Hans Peter Lehofer abgesehen).

Armutserklärung für die Werbebranche

Das ganze ist auch eine Armutserklärung für die Werbebranche, da die vielgerühmten Kreativen offenbar oft nicht kreativ genug sind, um gute, klar erkennbare Werbung zu machen. Dabei kommen insbesondere die anständigen Öffentlichkeitsarbeiter und der seriöse Journalismus unter die Räder, da eigenständige Berichterstattung zunehmend eingeschränkt wird. Unter vier Augen schütten einem Journalisten manchmal ihr Herz aus: Der Druck auf redaktionelle Inhalte werde immer größer, vom Herausgeber, der Inseratenabteilung, den Inserenten, etc.

Aber keine Journalistengewerkschaft, keine Arbeiterkammer, kein Redakteursrat regt sich darüber auf. - auch keine engagierten ORF-Journalisten, die sonst bei jeder Politikerintervention laut aufschreien. Entweder sie haben allesamt Angst um ihre Jobs oder sie sind selbst im Schleichwerbungs-Dickicht gefangen. Und die Medienkonsumenten haben offenbar keine Interessenvertretung. Viele bezahlte Inhalte fallen selbst erfahrenen Insidern gar nicht auf, sondern werden als journalistische Kost konsumiert.

Was tun?

Was wäre also zu tun gegen diese sauren Wiesen in der Medienlandschaft? Bei den elektronischen Medien gibt es ja Instanzen, die diesen Wildwuchs zu kontrollieren haben - bzw. hätten.

Und bei den Printmedien gibt es ein System der Medienförderung, das ohnehin reformbedürftig ist. Warum wird nicht die Einhaltung von ethischen Standards - also etwa des § 26 Mediengesetz, der die Schleichwerbung regeln soll - zur Bedingung für die Gewährung von Medienförderung gemacht? Wer also Medienförderung bekommen will, hat sich an die Grundregeln seriöser journalistischer Arbeit zu halten. Dies würde nicht nur den Medienkonsumenten und dem Ruf des Journalismus nützen, es wäre auch ein wesentlicher Beitrag zu mehr Demokratie und mehr kritischer Auseinandersetzung mit der Vierten Gewalt im Staate. (Franz Bogner/DER STANDARD; Printausgabe, 16.1.2008)