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Mitunter versagt auch unsere Wunderwaffe Immunsystem.

Foto: APA/dpa/VOTAVA/Andreas Lander
Wer gerade an winterlichem Husten oder Schnupfen leidet, mag es vielleicht nicht glauben. Doch unser Immunsystem ist eine Wunderwaffe, das auf jede Herausforderung eine passende Antwort hat.

Unser Körper ist nämlich ständig schädigenden Einflüssen wie Viren, Bakterien, Giften oder Pilzen ausgesetzt. Dass wir die meiste Zeit davon nichts merken, verdanken wir hochkomplexen Wirkungsgefügen, deren Erforschung heftig im Gange ist.

Prinzipiell verfügen wir - wie alle Wirbeltiere - über zwei Arten von Immunsystemen, die gemeinsam die Immunantwort des Körpers bewerkstelligen: Das angeborene Immunsystem unterscheidet in erster Linie zwischen fremden und eigenen Zellen und attackiert die fremden quasi "nach Schema F". Das erworbene oder adaptive Immunsystem hingegen ist imstande, jeden Eindringling gezielt aufs Korn zu nehmen.

Spezifische Antikörper

Für Letzteres sind spezialisierte Zellen, die B- und T-Lymphozyten, verantwortlich. B-Lymphozyten bilden für jeden Angreifer innerhalb kürzester Zeit ganz spezifische Antikörper, auch Immunglobuline genannt, während sich die T-Lymphozyten als ganze Zellen auf den Feind stürzen. Das kann so erfolgreich verlaufen, dass wir gar nichts davon merken. Der Feind kann aber auch so virulent sein, dass der Kampf eine Weile dauert (und sich vom harmlosen Schnupfen bis zu hässlicheren Dingen manifestiert).

Die adaptive Immunabwehr hat es dabei mit ungeheuren Mengen potenzieller Angreifer zu tun: Allein Viren und Bakterien gibt es in Massen. Und wie wir von der jährlichen Grippeimpfung wissen, verändern sie sich leicht, sodass Impfstoffe, die heuer wirken, nächstes Jahr schon ziemlich alt aussehen können.

Unser Körper ist also imstande, Millionen von verschiedenen Immunglobulinen zu erzeugen.

Aber wie macht er das? Wie man in den 1970er-Jahren herausfand, beruht diese Anpassungsfähigkeit auf einem genetischen Umlagerungsprozess ("rearrangement"), bei dem Teile von drei unterschiedlichen Genabschnitten kombiniert werden. Da jeder dieser Abschnitte über hunderte solcher Teile verfügt, die zusammengekoppelt werden können, sind die Kombinationsmöglichkeiten dementsprechend enorm.

Ende der 1980er-Jahre wurden zwei Gene (und die von ihnen kodierten Proteine) entdeckt, ohne die dieser Prozess nicht ordentlich abläuft: RAG1 und RAG2 (für Recombination Activating Gene).

Umlagerungsprozesse in der DNA sind jedoch eine heikle Sache, deshalb muss sichergestellt sein, dass die entsprechenden Gene genau das tun, was sie sollen, und nur dann aktiv sind, wenn sie gebraucht werden. Tatsächlich kann es bei mangelhafter Regulation der RAGs dazu kommen, dass gefährliche Onkogene aktiviert werden, die Leukämie und Lymphome auslösen.

Nikos Yannoutsos von der Abteilung für Zellbiologie der Universität Innsbruck befasst sich mit finanzieller Unterstützung des Wissenschaftsfonds FWF damit, wie unser Körper die kreativen RAGs bei der Stange hält.

Im Zuge dessen stieß er vor wenigen Jahren auf zwei Gensequenzen, die als Silencer (Abschalter) und Anti-Silencer der RAGs wirken - Steuerelemente, die bis dahin unbekannt waren.

Im laufenden Projekt tut sich für Yannoutsos hier ein wichtiger Aspekt auf: "Wenn von epigenetischer Regulierung die Rede ist (also von Regulierungen, die nicht ursprünglich auf die DNA-Sequenz zurückgehen, Anm. d. Red.) sind gewöhnlich nicht-spezifische Mechanismen gemeint, die dazu führen, dass die Genexpression aktiviert oder unterdrückt wird", so der griechische Gastwissenschafter im Gespräch mit dem Standard. Was bislang völlig fehle, sei eine Erklärung der Verbindung zwischen diesen allgemeinen epigenetischen Mechanismen und der spezifischen An- oder Abschaltung eines Gens oder Genabschnitts.

Der RAG-Silencer und der Anti-Silencer könnten erste Kandidaten dafür sein: Mäuse, denen diese beiden Elemente fehlen, weisen zwar die übliche Regulation der RAGs auf, allerdings nicht so perfekt wie normal ausgestattete Tiere.

Genetische Steuerung

Es sieht also ganz so aus, als hätten diese zwei Elemente keine primäre genetische Steuerwirkung, sondern wären nur für die epigenetische "Feinabstimmung" der RAGs zuständig.

Möglicherweise sind solche Silencer und Anti-Silencer auch an anderen Stellen des Genoms tätig. Neben einem tieferen Verständnis unseres Immunsystems dürfte Yannoutsos Grundlagenforschungsprojekt daher auch Einsichten in die allgemeine Steuerung unseres Erbgutes liefern. (Susanne Strnadl/DER STANDARD, Printausgabe, 16.1.2008)