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Sarkozys Beziehung, inzwischen vielleicht sogar Ehe mit Bruni und die Beurteilung der Regierung von einer Privatfirma – zwei Ereignisse, ein Phänomen: die Privatisierung des Politischen. Man könnte auch sagen: die Entpolitisierung des Politischen.

Foto: AP Photo/Ben Curtis
Staatspräsident Nicolas Sarkozy mit Carla Bruni in Disneyland Paris. Die beiden händchenhaltend in Ägypten und promenierend beim Felsengrab im jordanischen Petra. Wer die Zeitungsartikel und Fernsehberichte der vergangenen Wochen über Frankreich las, mag das Gefühl bekommen haben, das Land stehe still. Aber Frankreich stand nie still. Im Gegenteil.

Anfang Januar verkündete die Regierung in Paris eine bemerkenswerte Reform, die verglichen mit der Sarko-Show freilich nur eine Randnotiz war. Auf Anweisung des Staatspräsidenten wird sich künftig jeder Minister der Regierung alle drei Monate von der privaten Consulting-Firma Mars & Co evaluieren lassen. Endlich werde er schwarz auf weiß sehen, wie viel er arbeite, freute sich Außenminister Bernard Kouchner.

Marktanteil und Abschiebungen

Der Kulturminister wird beispielsweise nach dem Marktanteil französischsprachiger Filme in den französischen Kinos beurteilt. Der Einwanderungsminister danach, wie viele Illegale er abschiebt. „Warum sollte Politik die einzige Domäne bleiben, die nicht evaluiert wird“, fragte der Sprecher der französischen Regierung. Die französischen Sozialisten hingegen sprachen von einer Entmachtung des Parlaments. Aber das ist nur ein Aspekt.

Im französischen Präsidialsystem hat das Parlament ohnehin nur eine untergeordnete Rolle gegenüber der Verwaltung. Mit der Evaluierung startet Frankreichs Staatschef dennoch ein beachtliches Projekt: die Evaluierung und Beurteilung der Regierung nicht nach politischen, sondern nach ökonomischen Maßstäben. Neu ist das Phänomen nicht. Aber die hohe Ebene, auf der angesetzt wird.

Entpolitisierung des Politischen

Sarkozys Beziehung, inzwischen vielleicht sogar Ehe mit Bruni und die Beurteilung der Regierung von einer Privatfirma – zwei Ereignisse, ein Phänomen: die Privatisierung des Politischen. Man könnte auch sagen: die Entpolitisierung des Politischen.

Das Phänomen, private Affären in die Öffentlichkeit zu tragen und zu diskutieren, ist nicht neu, sagt der Soziologe Oliver Marchart von der Universität Luzern und verweist auf die Rolle Jackie Kennedys in den USA der 60er-Jahre. Und doch erfuhr Frankreich etwa von der unehelichen Tochter von François Mitterrand erst kurz vor dem Rückzug des Staatschefs.

"Entdifferenzierung" politischer Sphären

Und es ist erstaunlich, wie anschaulich die beiden Ereignisse in den vergangenen Wochen in Frankreich auftrafen. Marchart spricht von einer „Entdifferenzierung“ politischer Sphären. Es findet eine Verschiebung statt. In den öffentlichen Debatten geht es plötzlich um das Liebesleben eines Präsidenten, nicht um Inhalte. Zugleich sollen die Entscheidungen künftig aber nach Mustern, die aus der Privatwirtschaft entlehnt sind, evaluiert werden. Nicht nach politischen. Der Präsident gibt zumindest ideologisch ein Zepter aus der Hand.

Aber warum diese Entwicklungen? Es ist das Resultat einer politischer Auseinandersetzung, sagt Marchart, „an deren Ende eine Politik steht, die sagt und zeigt, dass sie keine Handlungsspielräume mehr hat“. Politik, die nur mehr das bestehende verwaltet. Debatten darüber, wie sich Demokratie in der Gesellschaft vorantreiben lässt, fehlten hingegen, sagt Eva Kreisky vom Institut für Politikwissenschaft in Wien.

Ablenkungseffekt

Zwischen Sarkozys Liebesleben und Mars & Co sieht Kreisky noch eine andere Verknüpfung. Indem Sarkozy sein Privatleben in die Öffentlichkeit trage, melde sich der Präsident von üblichen Kommunikationskanälen und Debatten ab. Kreisky spricht von einem Ablenkungseffekt. Allerdings lässt sich im Fall Sarkozy/Bruni schwer sagen, was Inszenierung ist. Das berühmte Foto des Pärchens am Strand von Ägypten schoss ein belgischer Ägypten-Urlauber und kein Paparazzo, den Sarkozy mit sich reisen ließ. „Schicken Sie keine Fotografen, wenn Sie sich nicht instrumentalisieren lassen wollen“, rief auch Sarkozy einmal Journalisten entgegen.

Aber es kommt gar nicht darauf an, was Inszenierung ist und was nicht. Politik und Medien sind zwei „kommunizierende Gefäße“, sagt Marchart. Beide müssen das Spiel mitspielen. Beruhigend ist für Kreisky, dass Sarkozy zuletzt in den Umfragen abgestürzt ist: „Das zeigt, dass die Menschen Erwartungen in die Politik haben. Sie haben Probleme in ihrem Leben und wollen Lösungen – und nicht nur eine Show.“ (András Szigetvari, DER STANDARD, Printausgabe 16.1.2008)