"Die Regeneration von Nervenzellen im menschlichen Zentralnervensystem stellt für die Medizin nach wie vor eine große Herausforderung dar, denn anders als beispielsweise Nervenzellen in der Haut wachsen jene im Gehirn und im Rückenmark nach Verletzungen nur sehr langsam oder gar nicht wieder aus", erklärt Stern. Das sei auch der Grund dafür, warum Patienten mit Rückenmarksverletzungen häufig für den Rest ihres Lebens querschnittsgelähmt sind.
Stopp-Proteine verhindern Nervenwachstum
"Ein Grund, warum sich die Nervenzellen nach einer Verletzung im Rückenmark so schlecht regenerieren, liegt im Vorhandensein so genannter Stopp-Proteine." Diese verhindern das erneute Wachstum von verletzten Nervenfasern. "In Untersuchungen konnten Forscher diese Proteine medikamentös ausschalten. Die Behandlung führte jedoch zu verheerenden Nebenwirkungen, da das Ausschalten der Proteine im gesamten Organismus zu tragen kam und nicht nur im Rückenmark", erklärt der Forscher.
"Wir haben uns für unsere Untersuchungen daher Lebewesen ausgesucht, bei denen keine solchen Proteine auftreten, die eine Regeneration verhindern, wie zum Beispiel Insekten mit einem vergleichsweise einfachen Nervensystem", erklärt Stern. "Wir konnten zeigen, dass die Nervenfasern im Zentralnervensystem bei diesen Tieren nach einer Schädigung das Wachstum wieder aufnehmen." Eine wesentliche Rolle als Wachstumsfaktor spielte dabei das Gas Stickstoffmonoxid.
Fluoriszierende Nervenfasern
Für die Untersuchung entwickelte der Forscher eine Methode, mit man die Wirksamkeit von pharmakologischen Substanzen auf das Nervenwachstum untersuchen kann. "Wir färbten dazu im freigelegten Nervensystem von sieben Millimeter großen Heuschreckenembryos die nachwachsenden Nervenfasern mit Fluoreszenzfarbstoffen an. Unter dem Mikroskop kann man dann die Veränderungen an den Nerven beobachten", so Stern.
Was Stern nun weiters interessiert, sind auch andere Substanzen und ihre Auswirkungen auf das Wachstum von Nervenzellen. "Mit dem Modellsystem Heuschrecke können wir mit dieser Screening-Methode alle möglichen Substanzen testen", so Stern. Da diese Tests im vollständigen Nervensystem untersucht werden, ergebe sich ein genaueres Bild als bei Versuchen in der Petrischale. Außerdem könne man auf Tierversuche an Wirbeltieren verzichten.
Genau Wirkungsweise unklar
Wie genau Stickstoffmonoxid wirkt, ist den Wissenschaftlern nicht exakt bekannt. "Der Organismus benutzt das Gas in sehr geringen Konzentrationen als Signalstoff zur Kommunikation zwischen den Zellen", erklärt Stern. "Bekannt ist auch, das der Stoff unter anderem in Nervenzellen und Blutzellen produziert wird." Bei einer Störung oder Verletzung werde die Konzentration des Stickstoffmonoxids gesteigert, um die Regeneration der Nervenzellen zu fördern.