Ein 34-Jähriger Mann ist am Dienstag im Wiener Straflandesgericht vom Vorwurf des versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt freigesprochen worden. Richterin Helene Gnida fand keine Beweise, wonach der gebürtige Kongolese - wie im Strafantrag behauptet - einen Polizisten mit den Schultern zur Seite gestoßen hatte, um sich seiner Festnahme zu entziehen. Der Freispruch ist nicht rechtskräftig, die Staatsanwältin gab vorerst keine Erklärung ab.

Der Beschuldigte wollte am 24. Oktober 2007 mit einem jüngeren Freund zum Joggen auf die Donauinsel fahren. Weil sein Bekannter bei Rot eine Kreuzung passierte, setzte sich ein Verkehrspolizist mit seinem Motorrad an ihre Fersen und zwang den Lenker an der nächsten Ampel zum Stehenbleiben. Er forderte den 23-Jährigen zum Aussteigen und zur Ausweisleistung auf. Weil sich der Beifahrer nach einer Viertelstunde wunderte, dass dieses Gespräch noch immer kein Ende nahm, verließ auch er das Fahrzeug und fragte seinen Freund: "Was soll das? Wir müssen zum Training!" Nach Darstellung des 34-Jährigen wurde er daraufhin vom Beamten rüde angefahren und sogleich geduzt: "Wer hat dir erlaubt, aussteigen zu dürfen? Schleich di!"

Mit Festnahme gedroht

Da er sich keines Fehlverhaltens bewusst gewesen sei, habe er sich nicht entfernt, meinte nun der gebürtige Schwarzafrikaner, der seit längerem die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt. Der Polizist habe ihm darauf mit Festnahme gedroht, sagte der Beschuldigte. Auf die Frage, welchen Grund es dafür gebe, habe der Uniformierte geantwortet: "Das ist scheißegal. Wir sind nicht in Afrika!"

Außerdem forderte der Gesetzeshüter Verstärkung an. Als diese eintraf, ersuchte er die zwei Kollegen, den Farbigen zwecks Identitätsfeststellung festzunehmen, der sich erwiesenermaßen zunächst auch nicht zur Wehr setzte, "obwohl ich bis heute nicht weiß, warum die mir Handschellen angelegt haben", wie er in der Verhandlung deponierte. Er habe der Polizei ja seinen Ausweis zeigen wollen. Im Polizeiprotokoll wurde die Festnahme später damit gerechtfertigt, der Mann hätte einen "bedrohlich kurzen Abstand" zum Verkehrspolizisten eingenommen und "gestikuliert", wobei er den Beamten "fast gestreift" hätte. Außerdem habe er "gebrüllt" und "durch lautes Schreien in ungebührlicher Weise die öffentliche Ordnung gestört". Das Ganze spielte sich um 17.00 Uhr auf der nicht als verkehrsarm bekannten Linzer Straße ab.

Im gefesselten Zustand soll der Mann dann dem Strafantrag zufolge einen Beamten gestoßen haben, um offenbar einen Fluchtversuch zu unternehmen. Diese Darstellung wurde vom Beschuldigten und seinem Freund entschieden zurückgewiesen. "Ich sehe auch keinen Grund, wieso Sie das hätten machen sollen", meinte die Richterin.

Viereinhalb Stunden in der Arrestzelle

Schließlich wurde der Kongolese mit aufs Wachzimmer genommen, wo er für viereinhalb Stunden in der Arrestzelle landete. Dann erkannte ein weiterer Polizist in dem Mann einen ehemaligen Profi-Fußballer, der einst für einen Wiener Großclub ein Probetraining absolviert hatte. Minuten später war der 34-Jährige auf freiem Fuß - ohne das ihm vorgelegte Protokoll unterschrieben zu haben.

Er habe das deshalb nicht gemacht, weil die Polizisten darin den Versuch unternommen hätten, nachträglich die Festnahme zu rechtfertigen, gab der Beschuldigte zu verstehen. So sei in der ersten Fassung behauptet worden, er habe die Beamten mit einem Messer und einen Pfefferspray bedroht. "Völlig hanebüchen", konstatierte der 34-Jährige. Da er nicht unterschrieb, sei das Papier zerrissen und durch eine Neufassung ersetzt worden, in der davon die Rede war, er habe einen Gesetzeshüter geschlagen. "Auch das war eine Lüge", sagte der Kongolese. Es entspreche ja nicht einmal die vergleichsweise harmlose dritte, dem Gericht vorgelegte Version den Tatsachen.

Die Beamten bekräftigten im Zeugenstand die darin getätigten Angaben und wiesen die Angaben des Ex-Fußballers und seines Bekannten als unwahr zurück. Die Richterin glaubte ihnen jedoch nicht, der Afrikaner wurde freigesprochen. Das Auftreten der Polizisten bezeichnete die Richterin in ihrer Begründung als "provokant". Dienst- oder strafrechtliche Folgen dürften die Beamten nicht zu befürchten haben: Der 34-Jährige will dem Vernehmen nach die Angelegenheit auf sich beruhen lassen. (APA)