Aischa war die Lieblingsfrau Mohammeds. Er lernte sie als Kind im Hause von Freunden kennen, war von ihrem fröhlichen Wesen angetan, heiratete sie als Sechsjährige. Die Ehe wurde vollzogen, als sie neun war. Mohammed war damals Anfang fünfzig. Soweit die Überlieferung.

Nur: Die Überlieferung stammt hauptsächlich von zwei islamischen Gelehrten, die zweihundert Jahre nach Mohammed lebten. So, wie die christlichen Evangelien von Autoren stammen, die Jesus nicht kannten und sie fünfzig bis hundert Jahre nach Christus aufschrieben. "Überlieferung" ist immer ungenau, verzerrt, besonders bei Religionsgründern. Die Evangelien zum Beispiel widersprechen einander an zahlreichen Stellen. Tatsächlich gibt es schon länger eine wissenschaftliche Kontroverse, ob Aischa tatsächlich ein Kind war oder nicht doch 13 oder 14 Jahre alt, ein übliches Heirats- und Ehevollzugsalter dieser Zeit - nicht nur im arabischen Raum.

All das hätte die Grazer FPÖ-Kandidatin Susanne Winter mit wenigen Mausklicks in den verschiedenen, sehr ausführlichen Wikipedia-Einträgen nachlesen können. Aber als Vertreterin einer Hetz-Partei und als Besitzerin von offensichtlich auch sehr persönlichen Überzeugungen über "Neger" und deren "genetische Veranlagung" ist ihr das natürlich nicht eingefallen. Sie legte noch nach - mit evidentem Unsinn: Mohammed habe den Koran während epileptischer Anfälle geschrieben. Erstens hat Mohammed nach muslimischem Glauben den Koran nicht verfasst, sondern er wurde ihm "offenbart", und zweitens könnte eine Grazer Zahnarztgattin wissen, dass man während epileptischer Anfälle gar nichts schreiben kann.

Das Unglück in dieser widerlichen Angelegenheit liegt darin, dass eine seriöse Auseinandersetzung mit dem Islam, genauer mit seiner Auslegung durch verschiedene reaktionäre Gruppen und mit diversen Praktiken erschwert wird. Die Rolle der Frau im Islam ist höchst diskussionswürdig. Ob nun arrangierte Ehen, Zwangsehen und Schulmädchenbräute - das sind alles Traditionen, die zwar mindestens so sehr ihre Wurzeln in einer archaischen Clan-Gesellschaft haben wie in - deutbaren - Vorschriften des Islam, die aber trotzdem energisch infrage gestellt werden müssen.

Was die FPÖ aber tut, ist die fundamentale Verächtlichmachung einer (im übrigen staatlich anerkannten) Religion und implizit die Verächtlichmachung aller Muslime, die an einen "Kinderschänder" (Susanne Winter) und Epileptiker glauben.

Mit demselben Recht könnte man sich nun lustig machen über eine Religion, deren Anhänger Folgendes glauben: Vor 2000 Jahren wurde ein Mann ohne biologischen Vater von einer jungfräulichen Mutter geboren. Er wurde wieder zum Leben erweckt, nachdem er drei Tage tot und begraben war. 40 Tage danach wurde er körperlich in den Himmel aufgenommen. Dieser Mann ist der Sohn Gottes, zugleich aber eins mit Gott und dem heiligen Geist (so formuliert es Richard Dawkins in seinem Buch "Der Gotteswahn").

Hier liegt ein Fall von aggressiver Dummheit vor. FPÖ-Parteichef Strache unterstützte Frau Winter mit den Worten, sie hätte halt ein bisserl scharf formuliert, aber man müsse ihr Meinungsfreiheit zugestehen. Ähnlich wie die Leugnung des Holocausts, die ja auch mit "Meinungsfreiheit" begründet wird, liegt hier aber eben nicht eine Meinung vor, sondern eine hetzerische Behauptung, die unter bewusstem Verzicht auf jede Berücksichtigung vorliegender Fakten geäußert wurde.

Die FPÖ hat sich erneut als Verhetzungs-Partei offenbart. (Hans Rauscher, DER STANDARD, Printausgabe, 15.1.2008)