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Stellt keinerlei Fragen an die Partitur: Christian Thielemann.

Foto: APA / Ingo Wagner/DPA

Wien - Es lässt sich zwar bei keinem Kunstwerk ohne weiteres von seiner Entstehungs- und Rezeptionsgeschichte absehen. Bei Richard Wagners Opern gilt dies aber insgesamt stärker als sonst und bei manchen Stücken in nochmals verschärftem Sinn. Die offene Deutschtümelei ist bei den Meistersingern von Nürnberg nur eine Facette einer Denkweise, die nationalem Chauvinismus und Schlimmerem die Bahn bereitete.

Denn zusätzlich wird kräftig ausgegrenzt, in Hans Sachs' Schlussmonolog alles "Welsche", in der gesamten Opernhandlung der jüdisch konnotierte Beckmesser, der zur Zielscheibe von Spott und Gelächter, aber auch einer handfesten Prügelei wird. So stellt sich die Frage nach dem Umgang mit der Schwarz-Weiß-Zeichnung von Sachs' "gesundem" und Beckmessers "verirrtem" Empfinden.

Sieht man genauer hin, gibt Otto Schenks ansonsten recht pittoreske Staatsopern-Inszenierung (von 1975) dazu zumindest Anhaltspunkte. Wenn sich die Protagonisten im Schlussbild vom Publikum entfernen, wird die allgemeine Jubelstimmung ansatzweise von fragendem Zweifel begleitet; und der hier längst von der Bildfläche verschwundene Beckmesser lässt sich differenzierter sehen als sonst.

Zumindest bei einem Darsteller vom Format Adrian Eröds, der diese Figur weitaus plastischer gibt als von Wagner intendiert: nicht nur mit sonorer Stimme verschlagen und böse, sondern in seiner Liebespein und Verletztheit glaubwürdig, wenn er nach der Prügelfuge schmerzgekrümmt über die Bühne schleicht und Evas Schlafzimmer noch einen Kuss zuwirft.

Auch Falk Struckmann als Hans Sachs strahlt mehr als bloße Selbstgefälligkeit aus, scheint sich seiner Sache nicht so sicher, wie es der Text behauptet, und zeigt nicht nur im grüblerischen Wahnmonolog ein menschliches Gesicht: Das galt diesmal freilich auch stimmlich mehr, als es ihm recht sein konnte, zumal ihm - genau beim Schlussmonolog - zweimal die Stimme versagte. In puncto Legato und Phrasierung hatte sich die Überforderung bei dennoch überzeugender Gesamtleistung zuvor schon angekündigt.

Solide Rollendebüts

Nur eine Stelle versungen und vertan hatte der kurzfristig für den erkrankten Michael Schade eingesprungene Norbert Ernst als keck-ironischer, mit feinem, leichtem Parlando punktender David. Weitere solide Debüts realisierten Alexander Kaimbacher, Marcus Pelz, Wolfgang Koch, Clemens Unterreiner und Ain Anger als markanter Pogner im Reigen der Meister. Neben Ricarda Merbeth als etwas behäbige Eva reüssierte Michaela Selinger als deren recht jugendfrische Amme Lene, während sich Peter Seiffert anstelle von Johan Botha mit kraftsparender Intelligenz nochmals als Stolzing bewährte.

Dirigent Christian Thielemann machte als Motor dieser musikalischen Neueinstudierung seinem Namen alle Ehre, sorgte im Orchestergraben allerdings eher für gediegene Qualität als für jenes Ereignis, zu dem der Jubel des Publikums den Abend hochstilisieren wollte. Wie dieser deutsche Kapellmeister in Wien geehrt wird, ist genauso heftig wie sein Hang zu klanglicher Brillanz, dem sich das Staatsopernorchester mit beeindruckener Verve widmete.

Allerdings verhält sich Christian Thielemann zu Richard Wagner nie anders als affirmativ. Sein Dirigat stellt keinerlei Fragen an die Partitur - die sich zwar musikalisch nicht lösen lassen, aber bei dieser Oper doch im Raum stehen bleiben sollten und nicht einfach davongepeitscht werden können. (Daniel Ender / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 14.1.2008)