Berlin - Trotz der Debatte über drohende Altersarmut plant die Regierung in Deutschland keine Korrekturen am Pensionssystem. Das bekräftigte das deutsche Sozialministerium am Sonntag. Eine Sprecherin bezog dies sowohl auf geforderte Änderungen bei der Riester-Rente als auch auf einen Vorschlag aus der Union, eine steuerfinanzierte Grundrente einzuführen. Auch die Arbeitgeberverbände warnten vor "Schnellschüssen". Der deutsche Finanzminister Peer Steinbrück empfahl allen Menschen "uneingeschränkt" die private Riester-Vorsorge.

Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Arbeitnehmergruppe im Deutschen Bundestag, Uwe Schummer, hatte in der "Leipziger Volkszeitung" für ein neues "Drei-Säulen-Modell" plädiert. Demnach soll eine über das Steuersystem finanzierte Grundrente für alle eingeführt werden, die die klassische, von Arbeitgebern und Arbeitnehmern getragene Sozialversicherungsrente und die private Riester-Rente für alle ergänzt.

Sozialverbände und die Versicherungswirtschaft forderten eine weniger tiefgreifende Korrektur, nämlich die Freistellung der Riester-Rente von der Anrechnung auf die Grundsicherung. Der Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), Jörg Freiherr Frank von Fürstenwerth, sagte der "Leipziger Volkszeitung": "Es sind schnelle politische Maßnahmen erforderlich um sicherzustellen, dass sich Eigenvorsorge immer lohnt."

Das unterstützte auch VdK-Präsident Walter Hirrlinger. "Wenn man bedenkt, dass künftig vermehrt die Gefahr von Altersarmut besteht, ist es paradox, die Einkünfte aus Riester-Renten mit der Grundsicherung zu verrechnen. Deshalb muss hier eine Änderung eintreten", sagte er der "Berliner Zeitung". Zumindest müsse ein hoher Freibetrag festgesetzt oder aber ganz auf die Anrechnung verzichtet werden. "Menschen dürfen nicht das Gefühl bekommen, jahrelang umsonst vorzusorgen", sagte Hirrlinger.

Der Paritätische Wohlfahrtsverband geht von einer baldigen Änderung aus, wie Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider im MDR sagte. Dem widersprach jedoch die Sprecherin des deutschen Sozialministeriums und fand Unterstützung bei der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA). Eine Nichtanrechnung der Riester-Rente auf die Grundsicherung sei problematisch, weil dann auch andere Einkünfte wie Lebensversicherungen oder auch Minijobs im Alter freigestellt werden müssten. Die BDA brach eine Lanze für die Riester-Rente unter jetzigen Bedingungen. Sie könne Altersarmut verhindern.

Linkspartei: "Dies ist der falsche Weg"

Auch die Linkspartei ist gegen eine Freistellung nur der privaten Altersvorsorge. "Dies ist der falsche Weg", erklärte Vizechef Klaus Ernst. Vielmehr solle die gesetzliche Rente gestärkt und die Grundsicherung erhöht werden.

Ausgangspunkt der Debatte ist ein ARD-Bericht, wonach Geringverdiener mit einem Riester-Vorsorgevertrag im Alter nicht mehr haben als solche ohne private Vorsorge. Denn sie kämen insgesamt nicht über das Sozialhilfeniveau hinaus, das nach derzeitigem Stand ohnehin jedem sicher ist. Steinbrück kritisierte in der "Neuen Rhein/Neuen Ruhr Zeitung" den Bericht, der Millionen verunsichert habe.

VdK-Präsident Hirrlinger beklagte auch den Kaufkraftverlust der jetzigen Pensionisten. Er verwies auf geringe Rentenanpassungen, steigende Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge sowie höhere Kosten für Energie und Lebensmittel. Nun komme auch noch die Erhöhung des Pflegeversicherungsbeitrags um 0,25 Prozent am 1. Juli. (APA/AP)