Der Feind kam diesmal von Nordwesten. Weder die Nahost-Reise von US-Präsident George W. Bush noch die Beinahekonfrontation zwischen amerikanischen und iranischen Patrouillenbooten im Persischen Golf erregten in der iranischen Öffentlichkeit mehr Aufmerksamkeit als die aktuelle Kältewelle, die die Regierung von Präsident Mahmud Ahmadi-Nejad vor ungeahnte Probleme stellt.

Viele Straßen und Autobahnen auch in der Umgebung Teherans sind nach starken Schneefällen unbefahrbar. Seit fünf Tagen sind in vielen Städten die Schulen geschlossen. Vor allem die unzureichende Gasversorgung tausender Haushalte – und das im Land mit den weltweit zweitgrößten Gasreserven – macht aus dem Wetter ein Politikum. Schon fragen manche Zeitungsleser, wozu der Iran Atomenergie brauche, wenn die Regierung nicht fähig sei, die vorhandenen Gas- und Ölreserven zu nutzen.

Der Wetterbericht stellt auch die Gespräche von IAEO-Generalsekretär Mohamed ElBaradei in Teheran über das iranische Atomprogramm in den Schatten. Offiziell wurde der Besuch ElBaradeis, der am Donnerstagabend begann, als möglicher Beginn einer "neuen Phase" in der Kooperation mit der Wiener Atomenergiebehörde bezeichnet.

Politisch profitiert Teherans Oberbürgermeister Mohammad Bagher Ghalibaf, der Ahmadi-Nejad in der Präsidentschaftswahl vor zwei Jahren unterlag, von der Kältewelle. In der Hauptstadt funktioniert das öffentliche Leben trotz der Schneefälle weitgehend klaglos. Viele ehemalige Weggefährten Ahmadi-Nejads haben die Seiten gewechselt und wollen für die Parlamentswahlen am 14. März mit Ghalibaf eine gemeinsame Liste aufstellen. (Amir Loghmany aus Teheran/DER STANDARD, Printausgabe, 12./13.1.2008)