Mit der derzeitigen Pflegediskussion sind die Berufspraktiker mehr als unzufrieden. Von links nach rechts: Sonja Schiff, Gerontologin und Grün-Politikerin; Ursula Frohner, Präsidentin des Österreichischen Gesundheits- und Krankenpflegeverbands (ÖGKV); Peter Fleissner, Landesvorsitzender des ÖGKV in Salzburg; Angela Kirchgatterer, Pflegedienstleiterin des Krankenhauses Abtenau; Karl Schwaiger, Pflegedirektor im Krankenhaus Hallein.

Foto: Markus Peherstorfer
Salzburg – Der Staat solle pflegenden Angehörigen die gleichen Förderungen bieten wie legalisierten Pflegekräften: Das forderten Pflegeexperten, darunter die Präsidentin des Österreichischen Gesundheits- und Krankenpflegeverbands (ÖGKV), Ursula Frohner, am Freitag bei einer Pressekonferenz in Salzburg. Angemeldete selbstständige Betreuerinnen werden ja seit 1. Juli mit bis zu 225 Euro monatlich gefördert.

Gegen "Finanzstriptease"

„Wir fordern die sozialrechtliche Gleichstellung der pflegenden Angehörigen mit der 24-Stunden-Pflege“, sagte Karl Schwaiger, Pflegedirektor im Krankenhaus Hallein. Das bedeute: Sozialversicherungsbeiträge sollten vom Staat übernommen werden. Wer ein Familienmitglied rund um die Uhr pflegt, sollte sich außerdem karenzieren lassen können. Schwaiger forderte auch die Abschaffung der Vermögensgrenze für die staatliche Unterstützung: „Diesen Finanzstriptease akzeptieren die Menschen nicht.“ Zur Finanzierung der Mehrkosten für den Staat machten die Experten keine Angaben.

"Damit haben wir ein Problem"

Frohner beurteilte die jetzige Regelung als „Schritt in die richtige Richtung“; auf jene 80 Prozent aller Pflegebedürftigen, die in der Familie betreut würden, habe man dabei aber vergessen. Sie mahnte auch eine baldige Evaluierung des Gesetzes ein. Mit den aufgeweichten Ausbildungsvorschriften für legalisierte Betreuerinnen sei man allerdings nicht einverstanden, sagte Schwaiger: „Dass man durch die Hintertür den Heimhelferinnen plötzlich Dinge erlaubt, für die man auf jeden Fall mehr als nur 200 Stunden Ausbildung braucht, damit haben wir ein Problem.“

"Sekretärinnen" statt Krankenschwestern

Die Ausbildungssituation in der häuslichen Pflege sei in den letzten Jahren ohnehin immer schlimmer geworden, schildert Angela Kirchgatterer, Pflegedienstleiterin des Krankenhauses in Abtenau: Während früher viele der illegal beschäftigen Ausländerinnen tatsächlich eine Ausbildung als Krankenschwester gehabt hätten, seien dort heute „Sekretärinnen und Hausfrauen“ gang und gäbe. Sie sei immer wieder mit alten Menschen konfrontiert, die sich zu Hause durch falsche Pflege und mangelnde Vorbeugung wundgelegen hätten. Nicht fachgemäße Pflege sei so auch mit „vielen Folgekosten“ für das Gesundheitssystem verbunden.

Einarbeitungsphase für Betreuer

Frohner forderte daher ein professionelles Pflegemanagement. Es komme darauf an, dass eine diplomierte Fachkraft in jedem Fall ein individuell angepasstes Pflege- und Betreuungskonzept ausarbeite. Dann könne sich die Betreuungsperson – ob ein Angehöriger oder eine bezahlte Betreuerin – einige Wochen unter Anleitung einarbeiten und schließlich die fachgerechte Pflege selbst übernehmen. Ob es unter den jetzt illegalen Pflegerinnen genügend gebe, die die Ausbildung dazu haben, eigenverantwortlich zu pflegen, „darüber können wir nur spekulieren“, sagte sie. Die Salzburger Gerontologin und Grün-Politikerin Sonja Schiff berichtete, dass die privaten Anbieter von Betreuungsdiensten zur Zeit eigenmächtig darüber befänden, wer welche Pflegekraft benötige. Dies geschehe ohne professionelle Kompetenz.

Für Reform des Pflegegelds

Ursula Frohner kritisiert in diesem Zusammenhang auch das derzeitige Pflegegeld-System: „Es ist eine österreichische Eigenheit, dass die Einstufung nach wie vor durch Ärzte erfolgt und nicht durch die professionelle diplomierte Fachkraft.“ Angela Kirchgatterer tritt dafür ein, die Verwendung des Pflegegelds regelmäßig zu kontrollieren. Kommt keine adäquate Betreuung zu Stande, solle man statt eines Geldbetrags eine Fachkraft zur Verfügung stellen. Peter Fleissner, Salzburger Landesvorsitzender des ÖGKV, forderte die verpflichtende Erstellung eines Betreuungskonzepts bei der Pflegegeldeinstufung.

Fachkräfte nicht gehört

Schwaiger bemängelte, dass Berufspraktiker in der Pflegediskussion kaum zu Wort kämen: „Es wird das Wissen der Pflegenden beiseite gelassen, Juristen machen neue Regelungen – die dann in der Praxis nicht durchführbar sind.“ Er forderte einen Forschungstopf zur wissenschaftlichen Begleitung und Evaluation von innovativen Pflegekonzepten.

"Eine gesellschaftliche Schande"

Altenpflege solle nicht immer nur unter dem Kostenaspekt diskutiert werden, mahnte Gerontologin Schiff. Diese Diskussion verunsichere nur die Betroffenen: „Bei kranken Kindern, bei Krebskranken, bei Unfallopfern – niemals würden Politiker hier sagen, dass medizinische Behandlung und Pflege billig sein muss. Bei kranken, alten Menschen tun sie das ganz selbstverständlich. Für mich ist das in einem der reichsten Länder der Welt eine gesellschaftliche Schande.“ (Markus Peherstorfer, derStandard.at, 11.1.2008)