Wie man immer öfter hört, soll 2008 das Jahr der innenpolitischen Entscheidung werden. Mit der Fußball-Europameisterschaft kann das nichts zu tun haben, mögen sich Politiker noch so peinlich schalumschlungen einer Bevölkerung anbiedern, der sie auf dem rot-schwarzen Felde keine geringere Enttäuschung bescheren, als sie auf dem grünen zu gewärtigen hat.

Der Eifer, mit dem Politiker schon jetzt um Logenplätze in jenem Schatten ringen, den die Fußballsonne auf die nationale Fanmeile zu werfen verspricht, bliebe vernünftiger einer anderen Sache vorbehalten. Aber wer wagt schon, auf eine Verbesserung oder gar Vertiefung der Regierungsarbeit zu hoffen, die manche sich von dieser großen Koalition erwartet haben? Nachhaltiges Heil in Klausuren zu sehen hat man sich für diese Legislaturperiode längst abgewöhnt.

Ist es Zeichen einer in Jahrhunderten des Absolutismus andressierten Leidensfähigkeit oder einer in den Jahrzehnten der Sozialpartnerschaft erworbenen Apathie, wenn Umfragen nun ergeben haben sollen, dass die Wählerinnen und Wähler dieser Regierung mit überwiegender Mehrheit schlechte Arbeit bestätigen, aber an ihrer Haltbarkeit bis ins Jahr 2010 nicht zu zweifeln wagen?

Womöglich ist es eine Kombination beider Erbmassen, die eben dabei ist, in eine Art von demokratischen Nihilismus umzuschlagen, denn auch die Opposition, die unter dieser Regierung eigentlich aufblühen sollte, dümpelt traurig vor sich hin. Warum die Opposition so schwach sei, fragen sich Medien und Meinungsforscher mit zunehmender Besorgnis, und wo sie überhaupt stecke, wollte etwa Die Presse fürwitzig wissen.

Eine Erklärung ist rasch bei der Hand: SPÖ und ÖVP streiten in der Regierung derart intensiv miteinander, dass an ihr jede oppositionelle Kritik, von welcher Partei sie immer kommen mag, wirkungslos abprallt. Diese Auslegung geht gelegentlich nicht ab ohne die beinahe nostalgische Verklärung der Zeiten, als ein Jörg Haider noch eine rot-schwarze Koalition "vor sich hertrieb".

Sie hat nur den kleinen Fehler, dass ihr eine Verwechslung der bisherigen ÖVP-Strategie der verbrannten Erde gegen den Regierungspartner mit dem, was die Oppositionsparteien wollen, zugrunde liegt. Die wollen eine andere Politik, wenn auch von jeweils höchst unterschiedlicher Art, die ÖVP will - auf der Basis eines gemeinsamen Regierungsprogramms - vor allem nicht den Koalitionspartner, den ihr eine bis heute nicht verarbeitete Niederlage aufgezwungen hat.

Der Koalition fehlte es insgesamt nicht an Potenzial, wollte sich die ÖVP von ihrem Trauma freimachen. Was immer sie gegen Gusenbauer einwenden mag - an Nachgiebigkeit und rhetorischer Zurückhaltung gegenüber dem Partner ließ er es wahrlich nicht fehlen. Das geht so weit, dass er sich den Dauervorwurf gefallen lassen muss, alles zu schlucken, nur um sich einen Sandkistentraum erfüllen zu können.

Die Opposition hingegen ist nicht auf die Regierung angewiesen, wenn sie wenig überzeugend wirkt. Die drei Parteien besorgen das, jede auf ihre Art, im Alleingang. Strache und Westenthaler sind die übriggebliebenen und untereinander verfeindeten Protagonisten in einem Satyrspiel, bei dem einst Jörg Haider Regie geführt hat. Ohne dessen Gespür haben sie außer der Instrumentalisierung dumpfer Vorurteile nichts zu bieten.

Das mag Strache, auf die Krücke der Krone gestützt, in Niederösterreich einen kleinen Erfolg bescheren, aber auf Dauer wird das allein nicht reichen, sich der ÖVP als Partner zu empfehlen. Die Grünen überzeugen nicht mehr als die Regierung, die sie kritisieren, sie wirken nur stärker abgenutzt. Die Besserung, die sie geloben, müssten sie erst bringen. Gelingt es, wäre im Entscheidungsjahr 2008 wenigstens etwas passiert. (Günter Traxler/DER STANDARD, Printausgabe, 11.1.2008)