Patricia Kopatchinskaja sucht "keine Perfektion. Es geht eher um eine gewisse Magie der Musik."

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Kopatchinskaja sucht das Rauschhafte in der Musik, spielt gerne barfuß und findet Perfektion unproduktiv.

Wien – Auch wenn Individualismus im Klassikbetrieb immer eine Rolle gespielt hat – es treten doch von Zeit zu Zeit Künstler ins Rampenlicht, die in diesem Punkt eine von der Exzentriknorm abweichende Dosis des Eigenwilligen anzubieten haben. Wer Patricia Kopatchinskaja einmal im Konzert erlebt hat, wird das bestätigen. Extrem körperlich ihr Noteneinsatz. Eher unüblich die Bühnenerscheinung (sie spielt gerne barfuß). Und natürlich lässt sie es sich nicht nehmen, mitunter Violinkonzerten eigene Kadenzen einzupflanzen.

"Ich suche das Unmittelbare, das Spontane. Pablo Casals hat gesagt, man könne in einem Werk nur seine eigene Begegnung mit dem Werk schildern. Ich sehe das auch so. Ich suche in einem Werk keinesfalls das, was man sowieso schon weiß. Das ist sinnlos. Ich will, dass man das Stück neu erlebt.Und auf der Bühne will ich Rauschhaftes erfahren. Es ist natürlich für einen jungen Künstler nicht immer leicht, Kompromisse zu vermeiden. Man will ja auch ins Geschäft kommen ... Ich gebe halt ein bisschen nach und mache dann im Konzert, was ich will. Wenn man das überzeugend tut, dann geht das, dann akzeptieren das die Dirigenten." Von diesen will sie natürlich ernstgenommen werden, weshalb sie Philippe Herreweghe schätzt: "Er ist wie ein Zauberer, er fragt die Musiker über ihre Ansichten zu einzelnen Stellen aus, holt so viel heraus. Ihm ist der Einzelne wichtig. Er behandelt ein Orchester nicht wie einen Massenkartoffelsack!"

Immer auch Neues

Die aus Moldawien stammende Geigerin, die mit ihren Eltern 1989 nach Österreich kam, befriedigt ihren Drang nach Neuem auch durch Uraufführungen. "Ich muss verschiedene Sachen machen, versuche das Einseitige zu vermeiden. Auch bei Programmen ist ein 'Stilsalat' interessant. Die Veranstalter wollen allerdings oft eher ein Thema und wählen dann manchmal schwache Stücke aus." Wenn es um Neuheiten geht, nimmt sie auch das hin. "Jedes Werk sollte eine Chance bekommen. Ich schimpfe dann vielleicht in meinem Kämmerlein, aber präsentieren muss man das Neue in jedem Fall."

Manchmal begleitet ja auch ein Komponist das Erarbeiten eines Werkes, da lässt sich noch korrigieren: "Mit Otto M. Zykan habe ich viel an seinem tollen Violinkonzert gearbeitet. Nachdem ich manche Teile wochenlang geübt hatte, sah er ein, dass nicht alles in dem von ihm gewünschten, verrückten Tempo ging. Er war kooperativ. Am Ende war er aber so aufgeregt, dass ich ihm verbot, mich vor dem Konzert zu besuchen. Ich musste mich konzentrieren. Er hat sich daran gehalten und war nachher doch glücklich."

Nervosität ist bei ihr – die meint, die Geige wäre ja eigentlich nur ein Kompromiss für sie –, die lieber Komponistin geworden wäre, zweifellos ein Thema: "Manchmal zittere ich so, dass ich nicht weiß, wie ich die Geige halten soll! Mitunter hilft das, es produziert Spannung. Manchmal arbeitet es aber auch gegen einen. Ich suche allerdings keine Perfektion, das ist nicht die Endstation. Es geht um eine gewisse Magie." Übriges komponiert sie dann doch auch: "Unlängst schrieb ich ein Stück für 17 stehende Streicher ohne Dirigenten." (Ljubiša Tošic / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 10.1.2008)