Wien - Korrekturbedarf bei der aufsichtsrechtlichen Regulierung der Kreditvergabe, den modernen Finanzinstrumenten, aber auch mehr Einblick in die Bewertungsmodelle der Ratingagenturen sei notwendig, um in Zukunft die Gefahr für neuerliche Finanzmarktkrisen zu minimieren. Dies war der gemeinsame Tenor einer Podiumsdiskussion am Dienstagabend in Wien, die von der Zukunfts- und Kulturwerkstatt (ZUK) der SPÖ gemeinsam mit dem Wiener Wirtschaftskreis veranstaltet wurde.

Es sei dies die letzte Veranstaltung der Zukunfts- und Kulturwerkstatt, die ein Opfer der Sparpolitik "oder wessen auch immer" geworden sei, meinte Ex-Finanzminister Ferdinand Lacina in seinen einleitenden Bemerkungen im überfüllten Saal der Oesterreichischen Kontrollbank (OeKB). "Die Sozialdemokratische Partei ist wohl so fest in der Gegenwart verankert, dass sie ohne Zukunft und Kultur zurecht kommt", bemerkte Lacina, und erntete dafür Applaus und Lacher der über 300 Zuhörer.

Es sei noch zu früh zu sagen, was auf der regulatorischen Ebene genau gemacht gehöre, meinte Peter Mooslechner, Direktor der Hauptabteilung Volkswirtschaft der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB). Ein Sonderpunkt sei aber, dass viele der Probleme mit dem hohen Grad der Fremdfinanzierung zusammenhängen. Mooslechner sieht Parallelen mit der Weltwirtschaftskrise in den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts: damals sei es darum gegangen, kreditfinanzierte Aktienspekulationen einzudämmen, heute müsste die Kreditfinanzierung von Nichtbanken ähnlich wie jene von Banken reguliert werden.

"Mehr Risikopuffer"

Ins selbe Horn stieß auch Hans-Helmut Kotz, Vorstandsmitglied der Deutschen Bundesbank. Die in Schwierigkeiten geratenen Banken hätten unter der eigentlichen Bank "Quasibanken" angesiedelt, die dasselbe gemacht hätten, ohne dass dafür dieselben Eigenkapitalunterlegungen notwendig gewesen wären. "Funktional identische Instrumente sollten identisch reguliert werden", forderte Kotz. Auch durch Basel II sei der Eigenkapital-Risikopuffer noch weiter reduziert worden. Dies sei jetzt ebenfalls korrekturbedürftig. "Wir brauchen mehr Risikopuffer, um die Risiken abzufangen, das heißt, mehr Eigenkapitalunterlegung", so Kotz.

Auch der dritte Podiumsdiskutant, IHS-Chef Bernhard Felderer, geht davon aus, dass es in Zukunft mehr Eigenkapitalunterlegung bei der Kreditvergabe geben wird müssen. Das werde zwar nicht den Geschmack der "Hedger" finden, müsse aber ebenso Teil der Institutionenreform werden wie die Ratingagenturen selbst. Aber auch mit geänderten regulatorischen Maßnahmen würden weitere spekulative Blasen in Zukunft nicht vermieden werden können, glaubt Felderer.

Die zur Entlastung des Eigenkapitals gedachten modernen Finanzierungsinstrumente wie Asset Backed Securities (ABS) hätten eigentlich der Eigenkapitalentlastung der Banken dienen sollen. Dadurch, dass sie mit Krediten bzw. Garantien finanziert worden seien, hätten sie - als die Garantien schlagend wurden - jedoch wieder das Eigenkapital belastet, erläuterte Mooslechner.

Felderer: US-Aufsicht hat versagt

Hauptverantwortlich für die aktuelle Krise ist für IHS-Chef Bernhard Felderer einerseits das Versagen der Finanzmarktregulierung in den USA und andererseits das Versagen der Ratingagenturen.

Auf die Ratingagenturen werde man sich in Zukunft nicht mehr verlassen könne, so der IHS-Chef. Es werde eigene Kontrollinstrumente bedürfen, um notleidende Kredite zu entdecken. Der Einblick in die Ratingagenturen müsse jedenfalls Teil der notwendigen Institutionenreform werden, oder den Ratingagenturen sollte in Zukunft nicht mehr jene Rolle gegeben werden, die sie derzeit haben.

Nicht einer Meinung waren sich Felderer und Mitdiskutant Hans-Helmut Kotz darin, ob die Hypothekenkrise in den USA vorhersehbar gewesen sei oder nicht. Von Wifo und IHS sei eine Immobilienkrise in den USA schon lange vorhergesehen worden, so Felderer. Dagegen meinte Kotz, 95 Prozent der US-Ökonomen hätten auch noch nach den ersten Problemfällen gemeint, es gebe keine Immobilienblase in den USA.

Dass gerade viele deutsche Banken von der Krise schwer betroffen wurden, habe nichts damit zu tun, dass die deutschen Banker "zu dumm" seien, sondern damit, wie sie Risikomodelle benutzten, so Kotz. Mit den Modellen hätten - bis zu ihrem Wegfall - hohe Eigenkapitalverzinsungen produziert werden können. "Sie hatten auch US-Investmentbanker in ihren Reihen", betonte das Vorstandsmitglied der Deutschen Bundesbank.

Die zweite Komponente - neben der Immobilienkrise - für die aktuelle Finanzmarktkrise seien die neuen Finanzierungsinstrumente ABS gewesen, mit denen Forderungen zusammengepackt und weiterverkauft werden konnten, so Felderer. Das Problem dabei: Es wurden viele faule Kredite hineinverarbeitet, in vielen Fällen wohl auch absichtlich. Dieses neue Finanzierungsinstrument sei nicht kontrolliert gewesen, die Aufsichtsbehörden hätten es nicht richtig bewerten können. ABS-Varianten werde es aber weiterhin geben, aber in anderer Form.

Krise greift über

Inzwischen sei auch klar, dass die Krise in den USA auf die Realwirtschaft übergreife, führte Felder aus. Die Arbeitslosenrate sei angestiegen, und die Furcht vor Arbeitslosigkeit beeinflusse das Konsumverhalten der US-Bürger am stärksten. Das Wirtschaftswachstum in den USA werde deutlich schwächer werden, man könne daran zweifeln, ob heuer eine Zwei vor dem Komma stehen wird.

In Europa gebe es dagegen kaum Nachrichten, dass sich realwirtschaftlich etwas verändere. Banken berichten nur davon, dass einige größere Investitionen nicht durchgeführt worden seien. Das Misstrauen zwischen den Banken und die Angst vor Leichen im Keller sei groß. Die Europäische Zentralbank (EZB) hätte die negativen Auswirkungen bisher erfolgreich bekämpft.

"Alle müssen dafür bezahlen, nicht nur die Sparer", so Felderer auf die Frage aus dem Publikum, wer für die Verluste aufkommen wird müssen. Die "geschickten Amerikaner" hätten diese Produkte auch an uns verkauft, der größte Teil dürfte aber in den USA liegen. (APA)