APA/HERBERT PFARRHOFER

Das Rathaus sagt: Wien könne nicht zuschauen, wenn Kinder ausgenutzt würden.

Ende Jänner soll das Wiener Sicherheitsgesetzes novelliert werden, um das Betteln mit Kindern zu verbieten. Genauer: Integrationsstadträtin Sandra Frauenberger und Jugendstadträtin Grete Laska von der SPÖ wollen jene Frauen und Männer belangbar machen, die mit Kleinkindern und Babys in Wiener U-Bahnstationen und auf den Gehsteigen sitzen und um Geld bitten. Wie die Gesetzesnovelle konkret aussehen soll, ist allerdings ein wohlgehütetes Geheimnis. Details stünden noch nicht fest, sagt die Sprecherin von Frauenberger. Und auch die Antwort von Laskas Sprecherin klingt etwas dünn: Mehr, als was man bereits gesagt habe, wolle man noch nicht verraten. Was "man bereits gesagt hat" sind Allgemeinplätze wie "der Schutz der Kinder steht im Vordergrund" und Wien könne nicht zuschauen, wenn Kinder ausgenutzt würden. Und: Es gebe bereits Gespräche mit Rumänien und Bulgarien, jenen Ländern, aus denen derzeit der Großteil der Bettler kommt.

Experten unerwünscht

Ob für die geplante Novellierung Experten hinzugezogen werden, weiß man nicht. Zwei, Pater Georg Sporschill und der Sozialpädagoge Norbert Ceipek haben von der Novellierung jedenfalls via Zeitung erfahren und wurden nicht um Rat gefragt. Sowohl Ceipek, Leiter der "Drehscheibe", jenem Krisenzentrum der Magistratsabteilung 11, in dem von Bettlerbanden eingesetzte und von der Polizei aufgegriffene Kinder landen, als auch Sporschill, der seit 1991 mit seiner Organisation "Concordia" Straßenkinder in Südosteuropa betreut, verfügen über die notwendige Erfahrung und Kontakte zu ansässigen Behörden.

Beide sind für ein Verbot, allerdings für kein Generelles. "Wenn Frauen Kinder benutzen, um an Geld zu kommen, dann ist das Kindesmissbrauch", sagt Sporschill. Es dürfe aber nicht bei einem bloßen Strafen bleiben. "Wenn lediglich die Bettler von Wiens Straßen verschwinden, ist das reine Kosmetik", sagt Sporschill. Wichtiger sei es, die Heimatländer der Bettler im wirtschaftlichen und sozialen Bereich zu fördern.

Für Norbert Ceipek bedeutet die geplante Gesetzesneuerung noch mehr Arbeit: wurden bislang nur Kinder aus der "Diebes-Community" zu ihm gebracht, wird er sich bald auch um die Bettelkinder kümmern müssen. "Wir warten schon darauf", sagt Ceipek. Denn ein Bettelverbot mit Kindern würde bedeuten, dass die Polizisten die Minderjährigen gleich in die "Drehscheibe" bringen könnten. "Ohne vorher nachweisen zu müssen, dass es sich um aggressives oder organisiertes Betteln handelt", erklärt Ceipek.

Bescheidene Nachbarschaftshilfe

Organisiertes Betteln, also das Betteln von mindestens drei verabredeten Personen und aggressives Betteln ist in Wien bereits verboten. Als "aggressives Betteln" versteht man Anfassen, unaufgefordertes Begleiten, Anspucken und Beschimpfen. In einigen Städten Österreichs, wie im steirischen Fürstenfeld wird auch das Betteln mit Kindern bestraft. Wenn Bürgermeister Werner Gutzwar erzählt, Fürstenfeld sei seit dem Inkrafttreten des Verbots 2005 eine bettelfreie Zone, dann ist der Stolz, der in seiner Stimme mitschwingt nicht zu überhören. Die 214 Euro Verwaltungsstrafe hätten praktisch sofort Wirkung gezeigt. "Bettelei ist nicht nachhaltig", sagt er und: "Man muss den Menschen in ihrer Heimat helfen".

Also gibt es Kooperationen und Initiativen, um den slowakischen Nachbarn unter die Arme zu greifen? "Nein", antwortet Gutzwar. Dafür spende man für das Nudelprojekt des Grazer Pfarrers Wolfgang Pucher. Die Bandnudeln, die von Roma-Frauen im ostslowakischen Hostice hergestellt werden, würden im Fürstenfelder Weltladen verkauft. Pucher von der Vinzenzgemeinschaft Eggenberg hat das Bettelverbot von Beginn an heftig kritisiert und den slowakischen Bettler Stefan P. an die Anwältin Gerlinde Goach vermittelt, um gegen das Verbot vor den Verfassungsgerichtshof (VfGH) zu gehen.

Die Entscheidung ist angeblich bereits gefällt. Goach erwartet in den kommenden Tagen die Ausfertigung. "Sollte der VfGH das Bettelverbot für verfassungswidrig erklären, würde das auf die Bettelverbote anderer Gemeinden und Städte Einfluss haben", sagt Goach.

Generelles Bettelverbot

Als "sehr gute Idee" bezeichnet der Wiener FPÖ-Klubobmann Eduard Schock die geplante Gesetzesänderung. Kein Wunder, immerhin fordert Schock seit Monaten ein generelles Bettelverbot. Dass damit theoretisch auch das Schnorren von Zigaretten als betteln gelten würde, sieht Schock gelassen: ein allgemeines Bettelverbot würde der Exekutive mehr Handlungsspielraum einräumen, um der Bettelei Herr zu werden. Man müsse auf die fachmännische Einschätzung der Beamten vertrauen.

Der Freiheitliche ist sich sicher, dass das Fürstenfelder Verbot der Überprüfung durch den VfGH standhalten werde. Notfalls müsse man eine Verfassungsänderung durchführen. Denn: "Betteln ist kein Menschenrecht", sagt Schock und fügt lachend hinzu: "ich weiß das, ich habe früher Jus studiert". (11.01.2007, derStandard.at, Birgit Wittstock)