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Bodenbelastung im Visier: Wo Blei in der Luft liegt, ist es auch bald im Boden - und somit eine Altlast

Foto: Reuters/Ian Waldie
Vom Vorsorgeprinzip bleibt da gar nichts übrig, meinen die Grünen. Sie warnen davor, dass die Politik auf die bestehende Vergiftung vergisst und neue zulässt - Von Conrad Seidl

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Wien - Am Stadtrand von Linz knallt es ab und zu ganz gehörig. Unweit der Ortschaft Plesching liegt in der Katastralgemeinde Katzbach der Tontaubenschießplatz Treffling. Und dort verschießen Sportschützen seit rund 45 Jahren bleihaltige Munition auf kleine Tonscheiben.

Blei, Arsen und Antimon

Was da in die Luft gepulvert wird, fällt natürlich irgendwann auf den Boden zurück. Und wird dort angereichert. "Aufgrund der Intensität der Nutzung des Schießplatzes gelangten bisher auf einer Fläche von sieben Hektar mehr als 100 Tonnen Blei zur Deposition. Durch die Verwitterung der Munition ist es zu massiven Verunreinigungen des der obersten Bodenschichten gekommen", heißt es in einem Arbeitspapier des Umweltbundesamtes (UBA). Blei, Arsen und Antimon belasten den Boden und könnten unter widrigen Umständen auch weiter in die Umwelt verbracht werden, warnt das UBA.

Dessen Experten haben ermittelt, dass das Schadstoffpotenzial bei dieser Verdachtsfläche "sehr groß", die Schadstoffausbreitung allerdings eher "gering" ist - der Schießplatz wurde daher wie viele andere Verdachtsflächen in die Prioritätenklasse 3 gereiht.

"Das heißt, dass er irgendwann zu sanieren sein wird, indem man die oberste Bodenschicht abträgt", erläutert die Umweltsprecherin der Grünen, Ruperta Lichtenecker, im Gespräch mit dem Standard, was am 22. November des Vorjahres in der Sitzung der Altlastensanierungskommission beschlossen worden ist.

Sanierte Vergiftungsfälle

Der kleine Schießplatz erscheint ihr insoferne typisch, als er zeigt, was heutzutage unter Altlasten zu werten ist: Soweit bekannt ist, wurden die gröbsten Umweltsünden, die in den letzten Jahrzehnten in den österreichischen Boden verbuddelt worden sind, inzwischen wieder ausgegraben und die ärgsten Vergiftungsfälle tatsächlich saniert.

Vorsorgeprinzip

Dies ging einher mit dem politischen Versprechen, künftig das Vorsorgeprinzip walten zu lassen. Und das würde bedeuten, dass die Umweltpolitik danach trachtet, dass neue Altlasten gar nicht erst entstehen.

Dabei gehe es aber nicht nur darum, dass nicht wieder - wie in der Fischer-Deponie, die das Grundwasser der Mitterndorfer Senke bedrohte - Giftfässer in ungeeignete Deponien gelagert werden.

"Vorsorge heißt, dass man dafür sorgt, dass eben keine neuen Schadstoffe ausgebracht werden, wenn man eine Gefährdung erst einmal erkannt hat," sagt Lichtenecker.

Weniger belastende Munitionstypen

Im Beispiel des Tontaubenschießens bedeute das, dass man etwa statt der seit Generationen üblichen Munition aus Bleischrot andere, die Umwelt weniger belastende Munitionstypen vorschreibe.

Aber es wird eben munter weiter geballert - und das könnte (weit über den Anlassfall hinaus) zum Prinzip werden - denn in der Umwelttechnik gebe es eine Strömung, Altlastensanierung "nutzungsspezifisch" anzugehen.

Harmlose Empfehlung

Wenn diese harmlos klingende Empfehlung ins Bewusstsein der Verwaltung und letztlich in die Praxis der Umweltpolitik eindringe, "dann wird das Reparaturprinzip anstatt des Vorsorgeprinzips gesetzlich verankert", fürchtet Lichtenecker - die Entstehung neuer Altlasten würde dann einfach hingenommen.

Dabei wäre die Umweltpolitik, wenn sie die Altlastensanierung ernst nehmen wollte, ohnehin gefordert: Mit den derzeitigen Mitteln würde es 120 Jahre dauern, alle Flächen zu säubert. (DER STANDARD Printausgabe 7.1.2008)