Warschau - Der polnische Außenminister Radoslaw Sikorski lässt die Zustimmung seines Landes zur geplanten US-Raketenabwehr in Polen vorerst offen. "Wir haben noch keine Entscheidung getroffen", sagte der Chef der polnischen Diplomatie in einem Interview der Zeitung "Gazeta Wyborcza" (Samstag-Ausgabe). Es handle sich um ein "amerikanisches, kein polnisches Projekt. Wir fühlen uns nicht vom Iran bedroht", erklärte Sikorski. "Wie auch immer, wenn ein wichtiger Verbündeter ein Ansinnen in einer wichtigen Angelegenheit äußert, nehmen wir das sehr ernst."

"Die Vereinigten Staaten werden davon profitieren, den Schild in Polen zu bauen (...) die NATO auch, weil die Basis den größten Teil des Gebiets der Allianz schützen würde", führte der polnische Chefdiplomat aus. Aber nicht nur der Nutzen, sondern auch die Risiken des Abwehrsystems müssten "gleichmäßig und gerecht" verteilt werden. "Es kann nicht sein, dass wir alle Kosten selbst tragen", unterstrich Sikorski.

Ob 2008 noch eine Einigung erfolgt, ist laut Sikorski unsicher. Dies hänge auch davon ab, ob die US-Regierung ein Angebot vorlege, das das polnische Parlament überzeuge. Washington verhandelt derzeit mit Warschau über die Stationierung von zehn Anlagen für Abfangraketen in Polen. Der Raketenschild, zu dem auch eine Radaranlage in Tschechien gehören soll, soll nach Angaben der USA vor Angriffen aus Ländern wie dem Iran schützen.

Der polnische Außenminister bemängelte, dass es Washington trotz früherer Zusicherungen bisher nicht gelungen sei, Vorbehalte Russlands auszuräumen. Deshalb werde Warschau den direkten Dialog mit Moskau aufnehmen, kündigte Sikorski an. Eine Verschlechterung des Verhältnisses zu Russland wäre ein "hoher Preis".

Für den 10. Jänner sind erste direkte Gespräche zwischen Polen und Russland über das umstrittene Projekt geplant. Dazu reist der russische Vizeaußenminister Sergej Kisljak in die polnische Hauptstadt. Moskau hat sich wiederholt entschieden gegen die Pläne Washingtons ausgesprochen und der Regierung von US-Präsident George W. Bush vorgeworfen, das Waffensystem richte sich gegen Russland. Die seit November amtierende Regierung des liberalen polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk war angetreten, nach der Regierungszeit von Jaroslaw Kaczynski nicht nur die Beziehungen zur Europäischen Union, sondern auch zu Russland zu verbessern. Laut Umfragen lehnen die Polen die Stationierung von US-Raketen in ihrem Land mehrheitlich ab. (APA/dpa)