Seit dem 14. Lebensjahr spastisch gelähmt: Fahrschüler Andreas Chmel.

Foto: Der Standard/Heribert Corn

Viele behinderte Menschen machen den Führerschein, doch der Umbau der Autos geht richtig ins Geld.

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Trotz einer spastischen Lähmung absolvierte Andreas Chmel seinen Führerscheinkurs. Das Beispiel zeigt auch: Der Weg zur Lenkerberechtigung ist für Menschen mit Behinderungen in vielen Fällen äußerst beschwerlich.

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Im Kreisverkehr Richtung Vösendorf schrammt Andreas Chmel haarscharf am Randstein vorbei. Seine rechte Hand macht eine unkontrollierte Bewegung, die Finger spreizen sich. Die Koordination von Lenken und Blinken bereitet ihm sichtlich Schwierigkeiten. Denn er steuert sein Auto nur mit links.

Lenken und blinken

Lenken und mit derselben Hand blinken, das ist für Chmel besonders schwer. Mit 14 Jahren erlitt er einen Schlaganfall. Seitdem leidet der heute 25-Jährige an einer spastischen Lähmung. Seine rechte Hand ist funktionsunfähig und der rechte Fuß nur eingeschränkt beweglich.

Derzeit macht der Schwarzgekleidete mit dem Nietenhalsband und den seitlich abrasierten Haaren seinen Führerschein. Sein Fahrschulauto verfügt neben einer automatischen Gangschaltung über einen Lenkradknopf, der an der linken Seite des Lenkrads angebracht ist. Mit diesem kleinen schwarzen Steuerknüppel bewegt er das Lenkrad.

Spezielle Kurse

Neben dem Fahrschüler auf dem Beifahrersitz waltet Dieter "Didi" Schwarzinger seines Amtes. Seit fast 18 Jahren ist er Fahrlehrer in der Wiener Fahrschule "Columbus". Nahezu genauso lang bringt er Menschen mit Behinderungen das Fahren bei. Schwarzinger ist zufrieden: Chmel wirkt bei seiner achten Doppelstunde souverän, so schnell geht das nicht bei allen Fahrschülern mit Behinderung. "Manche Schüler mit spastischen Lähmungen brauchen 70 bis 80 Stunden", sagt Schwarzinger. Nicht immer führen die Fahrstunden zum Erfolg, manchmal sind die körperlichen Einschränkungen zu groß.

Rollstuhlfahrer, deren Arme uneingeschränkt bewegungsfähig sind, brauchen oft nicht länger zur Prüfungsreife als Nichtbehinderte. Ungefähr zwanzig Fahrschüler pro Jahr absolvieren bei Schwarzinger den sogenannten Mobility-Führerschein, der speziell auf Menschen mit Körperbehinderung abzielt. Dazu kommen noch einmal so viele, die nach einem Unfall oder Schlaganfall ihre Fahrtauglichkeit überprüfen lassen müssen oder Perfektionsstunden absolvieren.

Club Mobil macht mobil

Wie viele Menschen mit Behinderung auf Österreichs Straßen unterwegs sind, ist nicht bekannt. Das Sozialministerium erhebt dazu keine Zahlen. Erste Anlaufstelle für gehandicapte Menschen mit Führerscheinwunsch ist oft der Club Mobil von Edith Grünseis-Pacher. Die 41-Jährige bietet u. a. kostenlose Beratung, Fahrtauglichkeitsprüfungen und ein Leihauto an.

Vor 18 Jahren hatte sie einen schweren Verkehrsunfall und sitzt seitdem im Rollstuhl. 1997 gründete sie den Club Mobil für Menschen mit Handicap. "Ich habe niemanden gefunden, der sich mit dem Thema Mobilität und Behinderung auseinandergesetzt hat", sagt sie zu den Beweggründen ihres Engagements. Mittlerweile wurde sie zu einer Koryphäe auf diesem Gebiet.

Förderungs-Dschungel

Vor allem, wenn es um die Frage von Förderungen geht, etwa für den Umbau des Autos: "Oft werde ich von den Förderstellen angerufen und gefragt, welche Unterstützungen der betreffenden Person zustehen, weil sie selbst nicht durchblicken", erzählt sie. Die Vergabe der Förderungen ist kompliziert und undurchsichtig, vom Bundesland genauso abhängig wie vom Grad der Behinderung und dem Versicherungsverhältnis.

Einen weitreichenden Fahrzeugumbau brauchen 15 Prozent der Behinderten, schätzt Grünseis-Pacher. Die Umbaukosten beginnen bei 100 Euro für einen Lenkradknopf und haben nach oben hin keine Grenze.

Fahrschul-Minivan

60.000 Euro kostete der Umbau des Fahrschul-Minivans, sagt Schwarzinger. Das Auto verfügt nun über Umbauten im mechanischen wie technischen Bereich. Herzstück ist eine umfangreiche Elektronik, die per Knopfdruck bis hin zur Zündung fast alle Funktionen des Autos steuert. Für Rollstuhlfahrer kann die Fahrerkabine umgebaut werden.

Fahrschüler Andreas Chmel weiß noch nicht, ob er für einen Autoumbau förderberechtigt ist. "Für mich wäre das Auto absolut notwendig", sagt er. "Zu Fuß zu gehen und die öffentlichen Verkehrsmittel zu benutzen fällt mir zunehmend schwer." Chmel auf dem Weg zur ersehnten individuellen Mobilität. Sobald er den Führer-schein hat, will er viel verreisen. (Thomas Trescher, AUTOMOBIl, 04.01.2008)

Interview: "Mir fällt die Decke auf den Kopf" Andreas Chmel über alltägliche Probleme, Autofahren und sein Wunschauto