Problemschulen können auch zu Vorzeigeschulen werden, wie die Hauptschule Rieden in Bregenz zeigt. Dort, in der Bregenzer Vorstadt mit hohem Migrantenanteil, nimmt man den "Standortnachteil" (Direktor Alexander Seidl) als Herausforderung. Das Miteinander braucht Mut. "MUT - miteinander umgehen trainieren", heißt deshalb auch das Leitmotiv der Schule.

Bereits mehrmals setzte man im Ortsteil Vorkloster Pioniertaten: Vor 13 Jahren wurden die ersten Hauptschulintegrationsklassen in Bregenz eingerichtet. 2001 wurde das Vorarlberger Pilotprojekt Schulsozialarbeit gestartet. Seit Beginn dieses Schuljahres wird in zwei Klassen schulstufenübergreifend unterrichtet.

Die 1c und die 3c beginnen jeden Schultag gemeinsam. Die ersten beiden Stunden machen sie miteinander Freiarbeit - lebendiges Lernen nach individuellen Fähigkeiten. Drei Tage in den Hauptfächern, zwei Tage in Nebenfächern. "So beginnt der Schultag ohne Stress", sagt Direktor Seidl. Der gemeinsame Unterricht der "Kleinen" mit den "Großen" soll den Anfängern bei der Integration helfen. Seidl: "Die Großen können die Kleineren unterstützen. So werden Berührungsängste abgebaut." Der Schulversuch ist somit auch ein Versuch der Gewaltprävention. Wenn man sich kennt, haut man nicht gleich hin.

Ausgewählt für den Schulversuch wurden die beiden Klassen, weil sie als Integrationsklassen für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf geführt werden. Denn in Integrationsklassen sind die neuen Lieblingswörter der Schulpolitik, "individualisieren" und "differenzieren" längst Praxis. Durch individuelle Arbeitspläne und Unterrichtsmaterialien wird jedes Kind seinen Fähigkeiten entsprechend gefördert. Gruppenarbeit und gegenseitiges Helfen fördern das Klassenklima.

Im Vorjahr bekam die Hauptschule Rieden den Hauptpreis der "SozialMarie" für innovative Sozialprojekte. Ihr früherer Direktor, Christian Kompatscher, wurde mit Schulbeginn zum ersten Vorarlberger Bezirksschulinspektor für Schulentwicklung gemacht. Trotz dieser Anerkennung haftet der Schule das Image der Problemschule an. Der hohe Anteil an Kindern nichtdeutscher Muttersprache (heuer 60 Prozent) hält viele davon ab, ihre Kinder nach Rieden zu schicken. Seidl: "Wie soll sich dann deren Anteil ändern?" (Jutta Berger, DER STANDARD - Printausgabe, 4. Jänner 2008)