Tiflis/Wien – „Unterstütze keine Mörder, schieße nicht auf Georgier, greife nicht zu Waffen“, steht auf Postern mit dem Porträt von Michail Saakaschwili, die in Georgiens Hauptstadt Tiflis kurz vor den Präsidentschaftswahlen an diesem Samstag an Häuserwänden kleben. Der Unterschied zur Wahl des Volkstribuns Saakaschwili vor ziemlich genau vier Jahren könnte nicht größer sein. Damals war der gerade 36-jährige Führer der „Rosen-Revolution“ mit mehr als 96 Prozent ins höchste Amt gehievt worden.

Doch der überwiegende Teil der vom Westen gesponserten Zivilgesellschaft in Georgien hat sich seither gegen Saakaschwili gestellt – etwa auch das „Equality Institute“, das die Anti-Saakaschwili-Poster verbreitete und das nun Goga Khaindrawa, einer der populären Ex-Minister, die bei den häufigen Regierungsumbildungen auf der Strecke geblieben waren, leitet.

Erste umkämpfte Wahl

Kommentatoren in Georgien sind sich einig, dass die vorgezogene Präsidentschaftswahl heutedie erste wirklich umkämpfte Wahl seit der Unabhängigkeit des Landes ist. 1991 war die Wahl des Nationalisten Swiad Gamsachurdia (85,6 Prozent) ohne Alternative. Der stürzte Georgien in den Bürgerkrieg, und Eduard Schewardnadse, der frühere sowjetische Außenminister, gewann als Retter der Nation leicht die Wahlen 1995 und 2000.

Auch wenn Saakaschwili – einem ehemaligen Justizminister während der Präsidentschaft Schewardnadses – nun ein Sieg prophezeit wird, ist doch ungewiss, wie klar das neue Mandat ausfallen und welche politische Konsequenzen der zunehmend unbeherrscht wirkende „Rosen-Revolutionär“ daraus ziehen wird. Gelingt es Saakaschwilis Herausforderern, ihn unter die Marke von 50 Prozent zu drücken und in die Stichwahl zu zwingen, wäre der frühere Staatschef (er musste sein Amt für die neuerliche Kandidatur aufgeben) zu Korrekturen an Stil und Programm genötigt. Chancen werden dem Kandidaten eines sehr heterogenen Neun-Parteien-Bündnisses, dem 43-jährigen Levan Gatschetschiladse, eingeräumt.

Schwer lasten auf der alten Regierung die Fehlentscheidungen des vergangenen Herbstes: die gewaltsame Auflösung einer Demonstration der Oppositionsparteien, die Verhängung des Ausnahmezustands am 7. November, die zeitweise Schließung des regierungskritischen Fernsehsenders Imedi, öffentliche Demontagen politischer Gegner, die an sowjetische Praktiken erinnern. Die Aufnahme als Nato-Beitrittskandidat, die sich Georgien beim Frühjahrsgipfel der Allianz in Bukarest erhoffte, hat das Land nach dem Eindruck von Sicherheitsexperten verspielt. (Markus Bernath/DER STANDARD, Printausgabe, 4.1.2008)