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"Ich vermisse Bill", in den Staaten grassiert eine Art 1990er-Jahre- Nostalgie. Altpräsident Bill Clinton kommt beim Wahlvolk derart gut an, dass er beinahe seine wahlkämpfende Frau in den Schatten stellt.

Foto: Reuters
In den letzten Stunden vor der entscheidenden Vorwahl wirft sich auch Bill Clinton für seine Ehefrau Hillary in die Wahlschlacht von Iowa. Dort liegt sie in Umfragen mit Barack Obama und John Edwards gleichauf.

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Nachdenkliche Selbstkritik ist nicht unbedingt das, was Amerikaner auszeichnet, erst recht nicht, wenn sie sich um die Präsidentschaft bewerben. Kandidaten mit robuster Elefantenhaut teilen kräftig aus und stecken ungerührt ein, wobei sie das Leitmotiv "Warum ich der Beste bin" lautstark variieren. Umso mehr hebt sich ab, was Bill Clinton zu sagen hat, wenn er die Wähler bittet, für seine Frau zu stimmen. Hillary sei schon einmal gescheitert, argumentiert er, daher könne sie Nackenschläge besser wegstecken als andere, falls sie dereinst im Weißen Haus residiere.

Eine Turnhalle in Greenfield, Iowa. Clinton tut das, was er am besten kann. Er kommuniziert, und zwar so, wie es wohl nur ein Ex-Präsident kann, erhaben über den Niederungen der Tagespolitik. Gelassen räumt er Fehler ein, klingt realitätsnah und weise. "Falls er sich nicht in einen Schrank einschließt, sondern was anpackt, wird der nächste Präsident an irgendeinem Punkt straucheln, so wie wir alle einmal gestrauchelt sind."

Bei ihm war es die Gesundheitsreform, ein ehrgeiziges Projekt, das gerade auch die First Lady mit großem Eifer betrieb. Es wurde nichts draus, der mächtige medizinische Komplex legte sich quer, viele Normalverbraucher empfanden das Reformpaket als bürokratisches Monster. Es war eine derbe Schlappe für die Clintons. "Und was tat Hillary?", fragt ihr Mann. "Sie ging zurück an die Arbeit." Bitte sehr, das seien Steherqualitäten, so müsse jemand gestrickt sein, der sich um den härtesten Posten der Welt bewerbe.

Bill Clinton, die Wahlkampfmaschine. Keiner kann ein Publikum so bezirzen wie er, zudem profitiert er von einer 90er-Jahre-Nostalgie. Die Erinnerung an seine Affäre mit Monica Lewinsky verblasst. Woran die Bürger zurückdenken, sind wirtschaftlich gute Jahre, in denen ein kompetenter Politiker im Oval Office regierte, obendrein ein Schlichter, der Konflikte diplomatisch regelte. Wo immer der Altpräsident auftritt, sind die Säle überfüllt.

Ob Bill nicht jeden Tag in Iowa reden könne, man nähme ihn mit Kusshand, bat einer von Hillarys Beratern neulich in einer durchgesickerten internen Notiz. Und als Barack Obama, der aufstrebende Rivale, die Talkshow-Queen Oprah Winfrey als Werberin einspannte, spielte der Altmeister seine glänzenden Kontakte zu großen Stars aus. Magic Johnson, das Basketballidol, ließ sich überreden, für die Clintons die Trommel zu rühren, wobei Hillary fast wie eine Statistin wirkte.

Geplant war das so nicht, zumindest nicht in dieser Intensität. Das Team um Terry McAuliffe, den Chefstrategen der Kandidatin, hatte Angst vor unerwünschten Nebenwirkungen des Altstar-Kults. Bill, das rhetorische Naturtalent, könnte seine manchmal hölzern und einstudiert wirkende Gemahlin zu hell überstrahlen, fürchtete man. Und: Nur nicht den Eindruck erwecken, als wolle da einer durch die Hintertür zurück ins höchste Staatsamt! Nur nicht Wasser auf die Mühlen derer gießen, die tiefe Skepsis gegen jede Art von Dynastie hegen! Seit 1988 regiert entweder ein Bush oder ein Clinton - fast schon monarchische Zustände, und das in der amerikanischen Republik. Allein um den dynastischen Vorwürfen die Spitze zu nehmen, sollte sich der werte Herr Gatte mit einer Nebenrolle begnügen.

Aber dann schmolz Hillarys Vorsprung dahin, wurde sie eingeholt, überholt vom Senkrechtstarter Obama. Camp Clinton reagierte, indem es den begnadeten Kommunikator ins Rampenlicht holte.

Nicht nur ihn, auch Schulfreundinnen und Kommilitoninnen und Anwaltskollegen der Senatorin, dazu Tochter Chelsea sowie Dorothy Rodham, die 88 Jahre alte Mutter. Sie alle sollten erzählen, was für ein großes Herz jene Hillary hat, die sie kennen. "The Hillary I know": ein eilig geschalteter Werbeblock, um ihr das Eisblock-Image zu nehmen, menschliche Wärme herauszustreichen. Denn dort liegt die Krux. Kaum einer zweifelt an ihrer Fähigkeit, die Staatsgeschäfte vernünftig zu führen, mit mehr Augenmaß, obendrein fleißiger als George W. Bush. Doch beliebt ist sie nicht, beliebt ist Obama. Er schätze ihn ja ebenfalls sehr, betont Bill Clinton, ganz Gentleman. Seine Zweifel versteckt er zwischen den Zeilen. "Ihr müsst natürlich auch wissen, wie ein Präsident reagiert, wenn mal etwas schief geht. Bei Hillary wisst ihr, woran ihr seid." (Frank Herrmann aus Washington/DER STANDARD, Printausgabe, 3.1.2008)