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Oppositionsführer Raila Odinga ruft für Donnerstag zu einer Großkundgebung auf

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Plünderungen in Mombasa

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Mehrere Polizeioffiziere gaben an, sie hätten den Befehl bekommen, mit Tötungsabsicht zu schießen.

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Polizei und Anhänger der beiden Rivalen um die Präsidentschaft sollen dafür verantwortlich sein.

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Als die Kirche in Eldoret im Westen Kenias in Flammen aufging, waren noch nicht alle geflohen. Zu übermächtig war der Mob, der die Vertriebenen am Neujahrstag überrascht hatte. Mehr als 30 Menschen, so erste Schätzungen der Polizei, kamen in den Flammen um. Die Opfer waren vor der überall in Kenia wütenden Gewalt in das Gotteshaus geflohen und hatten sich sicher gewähnt. Unter den Toten sollen auch Kinder sein. Wegen der geltenden Nachrichtensperre gab es widersprüchliche Informationen über das Massaker.

Möglicherweise hatte der Vorfall einen ethnischen Hintergrund: Die Volksgruppe der Kikuyu, zu der auch der umstrittene Präsident Mwai Kibaki gehört, ist seit der überhasteten Vereidigung Kibakis am Sonntag Ziel von Angriffen (siehe auch Wissen). Im Wahlkampf hatten Kibaki und Oppositionsführer Raila Odinga gleichermaßen die Ethnien gegeneinander aufgehetzt. Der Frust über Kibakis offensichtlichen Wahlbetrug bricht sich in Gewalt Bahn.

Musterstaat in der Krise

Das Massaker von Eldoret ist der traurige Höhepunkt der Unruhen, die Kenia seit Sonntag vom afrikanischen Musterstaat in ein Krisengebiet verwandelt haben. In Nairobis Leichenhalle liegen 45 Tote, in der Heimatstadt von Oppositionsführer Raila Odinga sollen es mehr als 100 sein. Die meisten wurden angeblich erschossen - und Schusswaffen hat nur die Polizei.

Während in Mombasa auch am Neujahrstag Kämpfe tobten, lag Nairobis größter Slum Kibera in den Morgenstunden in gespenstischer Ruhe da. "Die Leute haben sich tagelang gegenseitig umgebracht, es war schrecklich", sagt einer der Bewohner. "Jetzt versuche ich, irgendwo etwas zu essen für meine Familie aufzutreiben." Doch das ist schwer, denn die meisten Läden haben aus Angst vor Plünderungen geschlossen. Wo sie offen sind, liegt kaum etwas in den Regalen.

Am Dienstag rief Odinga, der Kibaki einen "zivilen Putsch" vorwirft, seine Anhänger erneut auf, friedlich zu bleiben. "Die Bevölkerung Kenias hat miterlebt, wie ihre Demokratie misshandelt, stranguliert und schließlich umgebracht wurde", hatte der wortgewaltige Politiker vorher erklärt. Seine Unterstützer rief Odinga zur Teilnahme an einem Trauermarsch für die Demokratie am Donnerstag auf - trotz Verbots der Polizei. Mindestens eine Million Kenianer mit schwarzen Armbinden erwartet er.

Viele befürchten, dass die Demo gewalttätig enden könnte. Zu autoritär versucht derzeit der Staat, jede aufkeimende Kritik zu unterdrücken. So verhängte die Regierung unmittelbar nach der überhasteten Vereidigung Kibakis am Sonntag eine Nachrichtensperre. Odinga selbst warf der Regierung vor, die Polizei dazu einzusetzen, Angst und Schrecken im Land zu verbreiten. "Es sind nicht die betrogenen Wähler, sondern es ist die Regierung, die ihre Sicherheitskräfte durch das Land schickt, um zu provozieren und Menschen willkürlich zu erschießen." Auf diese Weise solle jeder Widerstand im Keim erstickt werden.

USA rudern zurück

Unterdessen steigt der Druck auf Präsident Kibaki, die Ergebnisse der Wahl von unabhängiger Seite kontrollieren zu lassen. Die USA, die Kibaki unmittelbar nach seiner Vereidigung als einzige gratuliert hatten, zogen ihre Glückwünsche wieder zurück. Es gelte, besorgniserregende Unregelmäßigkeiten zu untersuchen, hieß es stattdessen. Der britische Premier Gordon Brown forderte Kibaki auf, auf seinen Widersacher Odinga zuzugehen. Die politischen Anführer müssten miteinander sprechen und für ein Ende der blutigen Ausschreitungen sorgen. Auch UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon rief die Kenianer zur Ruhe auf.

Scharfe Kritik der EU

Am deutlichsten wurde der Chef der EU-Wahlbeobachter, Alexander Graf Lambsdorff. "Ich habe selber Formulare gesehen, die geändert worden sind", berichtet er. "Es stammt alles aus der Zentralprovinz und ist zugunsten des Präsidenten gelaufen." Lambsdorff fordert die Neuauszählung der in den Wahlkreisen gesammelten Ergebnisse. Doch die Regierung erklärte, sie sei dazu nicht bereit: Präsident Kibaki habe die Wahl rechtmäßig gewonnen. (Marc Engelhardt aus Nairobi/DER STANDARD, Printausgabe, 2.1.2008)