Wien - Der Rückgabebeirat sprach in seiner jüngsten Sitzung eine Restitutionsempfehlung aus, die von weitreichender Bedeutung sein könnte. Denn laut Kunstrückgabegesetz aus 1998 sind lediglich in der NS-Zeit gestohlene Objekte zurückzugeben, die sich nach wie vor in den Bundesmuseen befinden. Der Beirat empfahl aber nun, ein Ölgemälde von Albin Egger-Lienz zurückzustellen, das in den Besitz des Finanzministeriums, konkret der Finanzlandesdirektion (FLD) für Wien, Niederösterreich und Burgenland, übergegangen ist. Es hängt, Anfang 1955 inventarisiert, im Vorstandszimmer des Hollabrunner Finanzamtes.

Das Gemälde Der Flößer, das auch Mann an einem Fluss stehend oder An der Drau bezeichnet wird, gehörte dem Juristen Lothar Egger-Möllwald. Dessen Ehefrau Eveline Egger-Möllwald, geborene Benies, war für die NS-Machthaber eine "Volljüdin". Das Ehepaar hatte sich - wie auf Druck des NS-Regimes mehrfach praktiziert - nicht scheiden lassen. Worauf auch Lother Egger-Möllwald, von 1923 bis 1933 österreichischer Gesandter in Rom, diskriminiert wurde.

Zudem war er, wie es in einem NSDAP-Schreiben heißt, "seit jeher ein Gegner des Nationalsozialismus" und habe sich "maßlos gegen den Führer zur Zeit der Machtergreifung" ausgelassen. Durch ihn sei "das römische Österreichertum verjudet und ver-tschecht" worden.

Flucht nach Rom

Lothar und Eveline Egger-Möllwald flüchteten daher in der NS-Zeit von Wien nach Rom. Das Ansuchen um Ausfuhrbewilligung vom 13. Dezember 1938 listet 52 Grafiken, 31 Aquarelle und 31 Ölbilder sowie diverse Kunstgegenstände auf. Es wurde zwar nur ein einziges Aquarell zur Ausfuhr gesperrt, es scheint aber, so die Provenienzforscherin Ulrike Nimeth in ihrem Dossier, fraglich, "ob überhaupt eines der Objekte ausgeführt werden konnte".

Die Gestapo beschlagnahmte 1940 die Liegenschaft Reisnerstraße 59 im dritten Wiener Gemeindebezirk, Eveline Egger-Möllwald verlor in der Folge die Staatszugehörigkeit - und auch ihr Vermögen.

1941 starb Lothar Egger-Möllwald im Exil. Er hatte eine nichtjüdische Erbin, die Italienerin Elena Baroli, eingesetzt, "um mittels dieses offensichtlichen Scheingeschäftes die endgültige Enteignung seiner Gattin zu verhindern". Nach zahlreichen Verhandlungen sollte ihr 1943 die Liegenschaft übertragen werden. Die Mobilien wurden "aufgeteilt": Was Eveline Egger-Möllwald gehörte, ließ das NS-Regime über das Dorotheum versteigern. Und Baroli bekam, was Lothar Egger-Möllwald besessen hatte: Die Kunstwerke wurden bei der Spedition Dworak eingelagert, blieben dort aber bis zum Kriegsende.

Entzug als Faktum

Wie das Gemälde Der Flößer, das Lothar Egger-Möllwald aufgrund der Verwandtschaft mit dem Maler gehört haben dürfte, in die FLD kam, ist bis heute ungeklärt. Das Faktum des Vermögensentzugs - sei es durch die Gestapo, den Spediteur oder das Finanzamt - "dürfte aber", so Nimeth, "auf jeden Fall gegeben sein". Dieser Einschätzung schloss sich der Rückgabebeirat unter dem Vorsitz von Clemens Jabloner an. Der Empfehlung, das Gemälde zurückzugeben, dürfte Finanzminister Wilhelm Molterer Folge leisten: Er bat bereits um Mitteilung, ob "das Bild dem Bundesdenkmalamt oder einer sonstigen zur Verwahrung namhaft gemachten Stelle übergeben werden soll".

Der Rückgabebeirat interpretiert mit seiner Empfehlung das Gesetz sehr weit - und folgt der eigentlichen Intention, dass alle Kunstgegenstände restituiert werden sollen, die sich noch immer in Bundesbesitz befinden. Diese Haltung könnte auch Folgen für die staatseigene Stiftung Leopold haben: Sie hatte bisher Restitutionen mit dem Argument verweigert, dass das Rückgabegesetz 1998 nur für die Bundesmuseen gilt.

Weitere Empfehlungen

In seiner jüngsten Sitzung empfahl der Beirat auch der Kulturministerin Rückgaben. An die Erben nach Franz und Helene Erlach wird daher aus dem Belvedere der Pfenningberger Schmerzensmann (um 1425) des Meisters von Großlobming, restituiert. Das Missionshaus St. Gabriel erhält 230 Objekte aus dem Naturhistorischen Museum zurück, die Erbengemeinschaft nach Arthur Ehrenfest-Egger mehrere Apparate aus dem TMW. (Thomas Trenkler / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 31.12.2007/1.1.2008)