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Seit 2004 winkt Alexander Pointner als Cheftrainer ÖSV-Springer ab. Ergebnis: u. a. zwei Olympiasiege, drei WM-Titel und drei Nationencupsiege.

Foto:APA/Parigger
Oberstdorf/Wien - Alexander Pointner beim Wacheln. So kennt ihn ganz Österreich aus dem Fernsehen. Er selbst sagt natürlich nicht Wacheln, sondern Abwinken. "Im TV sieht man mich vielleicht ein paar Dutzend Mal dabei. Insgesamt winke ich in einer Saison wohl an die tausend Mal ab." Denn abgewinkt wird nicht nur im Wettkampf, sondern vor jedem Trainingssprung, in der Vorbereitung, ohne Zuschauer, "irgendwo in Finnland", sagt Pointner. Bei Wind, bei Nebel, bei Schneefall. Und deshalb ist das Abwinken mehr als nur eine Geste, sondern sehr, sehr wichtig. "Weil da wird Vertrauen aufgebaut. Wenn ich abwinke und also freigebe, dann ist sich der Springer sicher, dass die Bedingungen passen."

Ab morgen winkt Pointner, wie immer, weil "automatisiert", mit Rechts, in Oberstdorf. Dort hebt am Sonntag die 56. Vierschanzentournee an. Für Pointner ist es die vierte, die er als Cheftrainer bestreitet. Noch nie standen seine Schützlinge so gut da, im Weltcup belegen Morgenstern, Schlierenzauer, Loitzl und Kofler die Ränge eins bis vier. Ob hinter solcher Geschlossenheit ein Plan stecken mag? Es steckt, sagt Pointner.

Der Unterschied

Und er führt aus: "Für mich hatte die Mannschaft schon immer oberste Priorität. Mir wird oft gesagt, Skispringen sei ein Einzelsport. Aber ich sage, dass man größere Erfolge hat, wenn man Skispringen als Mannschaftssport aufzieht. In etlichen Teamsportarten wird immer mehr individualisiert, ich gehe halt den umgekehrten Weg. Über die Jahrzehnte war's oft zu beobachten, dass an Duos oder einem Star - siehe Innauer/ Schnabl, Neuper/ Kogler, Vettori/Felder oder Goldberger allein - viele andere zerbrachen. Jetzt sind wir mannschaftlich so stark, dass wir es auch verkraften, wenn es einen Superstar gibt."

Den Plan, sagt Pointner, hatte er schon, bevor er Cheftrainer wurde. Als er für den Tiroler Skiverband werkte, später als Assistent der Cheftrainer Lipburger und Innauer, noch später als Trainer der zweiten Gruppe, die nun erste Gruppe ist. "Wir alle befinden uns in einer Entwicklung, die Mannschaft ist eine der jüngsten weltweit, wir Trainer sind jung. Und alle ordnen sich dem Teamgeist nicht nur unter, sondern leben ihn."

"Fundament." Das Wort kommt Pointner besonders oft über die Lippen. Naheliegend der Vergleich mit dem Hausbau. "Die wenigsten", sagt er, "denken an das Fundament, wenn sie ein Haus bauen. Dabei ist es das Wichtigste." Und also zum Fortschritt der skispringerischen Entwicklung? "Wir befinden uns in einem Zwischenstock." Nebenbei in einer Zwischensaison ohne Großereignis, es werden also der Tournee und dem Weltcup noch mehr Bedeutung zukommen als sonst. Pointner: "Wir sind soweit, dass wir wieder Gesamtsieger stellen können, bei der Tournee und auch im Weltcup."

Letzter Tourneesieger für den ÖSV war Andreas Widhölzl (2000), letzter ÖSV-Gesamtsieger Andreas Goldberger 1996. Pointner sagt, er will mehr erreichen als nur Siege, er habe eine Vision. "Mir ist auch die Sozialkompetenz der Springer und Betreuer wichtig. Ich will eine Mannschaft formen, die etwas darstellt. Mit der man sich identifizieren kann. Wir sind kein Volkssport wie Fußball oder Skifahren, wo die Wirtschaft und die Politik dahinterstehen. Aber wir wollen trotzdem viele Menschen ansprechen, wir wollen, dass viele mitleben und hinter uns stehen. Der zwölfte Mann, den es im Fußball gibt, kann auch im Skispringen wirken."

Mit Toni Innauer, dem ÖSV-Sportdirektor, arbeitet Pointner seit mehr als neun Jahren zusammen. "Ein Duo, das wie wir zwei diesen Sport weiterentwickelt", sagt er, "hat es vielleicht noch nie gegeben." Das geschieht nicht so oft, dass Pointner über sich redet, und sei's in einem Atemzug mit Innauer. Lieber redet er vom Team, zu dem nicht nur Springer, sondern auch Trainer und Physiotherapeut und Mentalbetreuer gehören. Sie alle arbeiten gut, sagt Pointner. Und ihnen allen ist es zu verdanken, dass er nun sagen kann, was er sagt: "Wir stellen eine Macht dar." (Fritz Neumann, DER STANDARD Printausgabe 28.12.2007)