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Der im Juli verstorbene Ferenc Puskás durfte das große Glück bei Real Madrid machen. Vielen anderen Kickern aus dem Osten war im westlichen Ausland nur kleines Glück beschieden.

Foto: APA/ Bojar
Budapest – Nach Angaben des ungarischen Fußballverbandes spielen weltweit mehr als 200 ungarische Fußballer in internationalen Vereinen, von Fuglafjördur auf den Färöer Inseln bis Home United in Singapur. Von einer wahren Schwemme kann zwar immer noch keine Rede sein, auf jeden Fall versuchen überraschend viele ungarische Spieler im Ausland ihr Glück – im Hinblick auf das gegenwärtige Niveau des ungarischen Fußballs erscheint ihre Zahl ohne Zweifel hoch. Das war nicht immer so. – Bis 1979 durften ungarische Kicker offiziell keine Verträge mit ausländischen Vereinen abschließen. Aber bereits in den 60er-Jahren gingen zahlreiche Fußballer illegal ins Ausland, und zwar prominente. Es sei nur an Zoltán Varga, Attila Ladinszky oder Lajos Ku erinnert. Über sie wurde ausnahmslos ein Spielverbot verhängt.

Nachdem sie ihre Strafen verbüßt hatten, spielten sie zum Teil mit beträchtlichem Erfolg. Zweifelsohne am weitesten brachte es Lajos Ku, der mit dem FC Brügge im Finale des Europacups der Meister stand. Varga spielte in Deutschland, den Niederlanden und Schottland, Ladinszky in den Niederlanden, Spanien, Belgien und Frankreich – jeweils in den Top-Ligen. Der ungarische Fußball erlitt 1956 seinen größten Verlust, als sich mehrere Stars der als Goldene Elf berühmt gewordenen Nationalmannschaft für eine Fortsetzung ihrer Karriere im Ausland entschieden: Ferenc Puskás, Sándor Kocsis und Zoltán Czibor kamen zu Real Madrid bzw. zum FC Barcelona. Real wollte ursprünglich Károly Sándor nach Spanien holen, der Verein bot sogar horrende hunderttausend Dollar. Der rechte Außenspieler von MTK Budapest ließ sich aber nicht locken.

In den 60er-Jahren galten Flórián Albert, Kálmán Mészöly, Ferenc Bene und János Farkas als heißeste Aktien. Penarol Montevideo aus Uruguay bot Mittelverteidiger Mészöly exakt eine halbe Million Dollar, Stürmer Farkas sogar mehr. Die beiden gingen aber kein Risiko ein. Sie hofften, dass die Liste jener Spieler, die legal ins Ausland gehen dürfen, mit ihnen beginnen würde. Als sich die Fußballgrenzen öffneten, waren sie allerdings längst im Ruhestand. Der erste Glückliche, der offiziell in den Westen durfte, war der vielfache Nationalspieler László Bálint, der mit seinen 31 Jahren allerdings nicht mehr an eine große Karriere denken durfte. Bálint hielt zwei Saisonen beim FC Brügge aus, lange genug, um darüber zu grübeln, was aus ihm hätte werden können, wenn er die Chance rechtzeitig bekommen hätte.

Flügelstürmer László Fazekas, 1974 mit Újpesti Dózsa im Semifinale des Meistercups und eine Stütze des WM-Teams von 1978, durfte erst mit 33 Jahren "in die große Welt" aufbrechen. Mehr als ein für einen Spieler seiner Klasse relativ schlecht dotierter Vertrag beim weniger renommierten belgischen Klub Royal Antwerpen schaute nicht heraus. Erst nachdem er über zwei Saisonen sein ballesterisches und integratives Talent bewiesen hatte, wurde der 92fache Internationale auch gut entlohnt.

Den Pionieren folgten dann in immer größerer Zahl andere, die Bedingungen für eine internationale Karriere jedoch blieben noch lange streng: Da mindestens 25 Länderspiele zu Buche stehen mussten, landeten selbst international bekannte Spieler bei westlichen Vereinen erst, nachdem sie ihren Zenit bereits überschritten hatten. Dazu zählten András Törocsik, László Kiss und Tibor Nyilasi, der allerdings der Wiener Austria viel Freude und 113 Tore in 144 Pflichtspielen beschert hat.

Für die Ungarn war es kein Trost, dass es den vielen Kollegen nicht besser erging. In Polen öffneten sich 1975 als Erstem Wlodzimierz Lubanski die Schranken. Der damals 28-Jährige, viermaliger polnischer Torschützenkönig und Olympiasieger von 1972, kam im belgischen Lokeren unter.

In der Tschechoslowakei erhielt Jozef Adamec, 44facher Internationaler und Serienmeister mit Dukla Prag und Spartak Trnava, eine internationale Chance, eine kleine – ab 1977 durfte der spätere slowakische Teamchef in der Wiener Liga Slovan stärken.

Ausnahme Panenka

Glanzvoller verlief die Auslandskarriere von Antonin Panenka, der 1981, nach seinem 32. Geburtstag und mehr als 45 Länderspielen zu Rapid wechselte. Der Europameister von 76 traf es immer noch schlechter als Nachfolger wie Pavel Nedved oder Petr Cech, aber besser als Alterskollegen, die Vereine wie VOEST Linz, Darmstadt oder St. Gallen akzeptieren mussten. Sie alle kamen zu einem für Fußballer ungünstigen Zeitpunkt zur Welt. Heute könnten sie gehen, wohin sie wollten. Sie müssten nur das beste Angebot nehmen. Nur die Nachfahren von Lajos Ku, Flórián Albert, László Bálint und László Fazekas müssen sich mit Engagements bei Vereinen der zweiten Leistungsstufe begnügen. Ungarn hat keine Spieler von Qualität mehr. Dass der österreichische Fußball auch keine Größen mehr hervorbringt, tröstet nicht.

Die drei derzeit besten ungarischen Spieler – Tamás Hajnal, Szabolcs Huszti und Pál Dárdai – spielen in Vereinen, die im Mittelfeld der ersten deutschen Liga zuhause sind. Albert und seine Zeitgenossen wollte man ins Ausland locken, nur: Sie durften nicht. Heute dürfen die Spieler gehen, nur werden sie selten gefragt. Wann schon war die Geschichte zu jedem gerecht? (József Jakab, DER STANDARD, Printausgabe, Freitag, 21. Dezember 2007)