Große internationale Wirtschaftssozietäten dominieren in Österreich den Rechtsberatungsmarkt. Kaum eine nennenswerte – und lukrative – Transaktion, die nicht unter Mitwirkung einer Law Firm abgewickelt wird. Die meisten dieser Wirtschaftskanzleien nehmen für sich in Anspruch, den Mandanten in allen für das Wirtschaftsleben relevanten Rechtsgebieten, egal ob es sich ums Steuer-, Vergabe- oder Wettbewerbsrecht handelt, beraten zu können. Auf den ersten Blick mag eine solche Rundumbetreuung für den Klienten sehr bestechend klingen und komfortabel sein, denn wo und weshalb auch immer der Schuh drückt, ist (s)eine Kanzlei einziger Ansprechpartner. Und trotzdem: Viele Auftraggeber verzichten auf dieses "Full Service" und entscheiden sich bei Rechtsfragen, die außerhalb des gesellschaftsrechtlichen Mainstreams liegen, für kleine, spezialisierte Anwaltseinheiten. Diese sogenannten Boutiquen beraten zwar meist nur auf einem oder wenigen Rechtsgebieten, dort aber auf höchstem Niveau, sehr persönlich und oftmals günstiger als die Großkonkurrenten.

Vorteil Spezialisierung

Ein Paradebeispiel ist Lothar Wiltschek: Er verließ 2003 die Wirtschaftskanzlei Schönherr, um seine eigene Kanzlei aufzumachen, die ganz und gar auf Wettbewerbsrecht und gewerblichen Rechtsschutz konzentriert ist: "Der Vorteil der Spezialisierung ist, dass man genau das macht, was man wirklich kann. Suchen Sie einmal eine große Kanzlei, die sich wirklich im Patentrecht auskennt. Sie werden nur sehr, sehr wenige finden. Ich hatte mit Kanzleien zu tun, bei denen ich mir als Gegner gedacht habe: ‚Das ist ja wie Elfmeterschießen, und zwar ohne Tormann‘", so Wiltschek pointiert. Viele Wirtschaftskanzleien würden kleinere Rechtsgebiete wie Wettbewerbsrecht einfach nebenbei betreiben, genau das wirke sich aber auf die Qualität aus, so der Jurist.

Größe allein zu wenig

Aber nicht nur die Güte der Beratung, sondern auch andere Aspekte sind für Klienten ausschlaggebend, sich für eine Boutique zu entscheiden. "Auch die Mandanten haben erkannt, dass das Bild vom Anwalt, der alles kann, nicht mehr dem gegenwärtigen Zustand des Marktes entspricht", meint Ernst Brandl, Partner bei Brandl Talos Rechtsanwälte, einer auf Kapitalmarktrecht fokussierten Sozietät. "Gerade große Unternehmen wollen gar nicht mehr mit allen Rechtsproblemen bei einer Großkanzlei sein, sie wollen nämlich nicht eine zu mächtig werden lassen.“ Brandl weiter: „Bei einer Einheit unserer Größe ist die Betreuung eine ganz andere. Wir sind flexibler und denken unternehmerischer. Bei uns ist auch ein mittelgroßer Mandant nicht ein kleiner Fisch unter vielen, ganz im Gegenteil!" Auch Stefan Haid bläst ins selbe Horn. Er deckt mit seiner Kanzlei fast ausschließlich Vergaberecht ab: "Die Kontinuität des Ansprechpartners ist bei uns garantiert", sagt Haid. "Unseren Auftraggebern ist einfach klar, dass sie mit uns erfolgsorientierter und chancenreicher arbeiten können. Denn nicht nur das Fachwissen ist entscheidend, sondern auch die Kenntnisse des Marktes und der Marktkonditionen. Es ist ein erheblicher Unterschied, ob sich ein Mandant bei einem Tunnelprojekt bewirbt oder an einer medizinisch-technischen Ausschreibung beteiligt."

Oft günstiger

Dass man in diesen kleinen, aber feinen Kanzleien oftmals mit weit weniger Honorar das Auslangen findet als bei den Branchenriesen, macht vielen Unternehmer die Entscheidung freilich noch leichter. Der Preiswettbewerb hat auch vor der honorigen Anwaltsszene nicht haltgemacht. "Wir unterscheiden uns weniger in den Stundensätzen von den Kollegen der Großkanzleien. Aber wir haben natürlich lang nicht die Kosten für Personal, Räumlichkeiten und EDV, die bei den Law Firms anfällt", sagt Christian Grave, Spezialist im Stiftungsrecht. Und die muss letztlich der Mandant berappen. "Von den Umsätzen einer großen Wirtschaftskanzlei sind wir weit entfernt, aber es kommt ja letztlich auf den Gewinn an", so Grave gelassen. "Unsere Effizienz kommt dem Mandanten zugute, wir müssen weder diesen ganzen Verwaltungsapparat aufrechterhalten, noch ihn dem Mandanten verrechnen", so Brandl. "Dabei unterscheiden wir uns beim Stundensatz nicht von den Großen, der liegt dort wie da zwischen 250 und 350 Euro. Aber wir tanzen nicht bei jeder Besprechung mit fünf Juristen an, sondern kommen allenfalls mit einem Konzipienten. Zweimal 300 oder fünfmal 300 Euro pro Stunde, das ist schon ein Unterschied!" (Judith Hecht, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 19.12.2007)