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Der Schein trügt: So schön wie das Foto, das Daniela Fally (li.) als Olympia und Doris Hindinger als Stella zeigt, ist die Volksoper-Neuproduktion von "Hoffmanns Erzählungen" leider nicht.

Foto: AP/Trierenberg
Dies lag sowohl an der verworrenen Inszenierung als auch am sehr unkultiviert aufspielenden Orchester.

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Wien - Zunächst die gute Nachricht: Es ist eine richtige Wohltat, Jacques Offenbachs Hoffmanns Erzählungen endlich einmal auf Deutsch und unter größtmöglichem Verzicht auf alle möglichen unter den fadenscheinigsten Vorwänden vorgenommenen dramaturgischen Eingriffen zu hören.

Auch die Spiegelarie durfte wieder als solche gesungen werden und nicht - wie neuerdings üblich - entweder überhaupt nicht oder zur Diamantenarie entstellt.

So fängt üblicherweise kein Verriss an, der dieser kritische Reflex auf die jüngste Volksopernpremiere eigentlich werden sollte, ja werden muss, zumal auch größtenteils sehr anständig gesungen wurde.

Unter anderem die Spiegel-arie, mit der Jochen Schmeckenbecher als Bösewicht vom Dienst und so auch als Dapertutto eine vom Gesamtduktus der Premiere vollkommen abgehobene und deren Höhepunkt markierende szenische und musikalische Leistung erbrachte. Nicht nur, weil er zweimal und durchaus imponierend das Gis erreichte, sondern auch, weil es Leopold Hager während dieser Arie endlich einmal gelang, zwischen Orchester und Bühne jenes dynamische Einvernehmen herzustellen, das man in dieser Aufführung ansonsten so schmerzlich vermisste.

Dürre Amtserfüllung

Nicht einmal andeutungsweise war aus diesem Orchestergraben eine Spur von stilistischem Feingefühl, von französischem Flair oder gar von evokativer Klangmagie zu vernehmen, was man bei einer Aufführung von Offenbachs Hoffmanns Erzählungen eigentlich voraussetzen müsste. Auch an den Solopulten des Orchesters registrierte man überwiegend nicht viel mehr als dürre Amtserfüllung.

Unter so widrigen orchestralen Voraussetzungen ist es für das Ensemble doppelt schwierig, mit einigem Nachdruck auf sich aufmerksam zu machen.

Dies gelang Daniela Fally, obwohl sie an einer Halsentzündung litt, am besten. Sie trällerte ihre Koloraturen nicht nur mühelos, sondern auch mit einem Hauch von Selbstironie. Nicht einmal die ihr als ganz überflüssige Assistentin beigegebene Doris Hindinger, die die Stella sang, konnte sie in der Gestaltung ihres hübschen Kabinettstücks beeinträchtigen.

Ex aequo wäre da auch Kristiane Kaiser als Antonia zu nennen. Sie singt ihren Part souverän, hat eine weiche, lyrische Stimme und weiß diese mit technischer Perfektion einzusetzen. Adrineh Simonian als Giulietta kann das Niveau gerade noch halten.

Doch während des Barcarole-Bildes zieht plötzlich Sergej Khomov, der Sänger der Titelgestalt, alle Aufmerksamkeit auf sich. Im dritten Bild verliert er bedauerlicherweise nicht, wie jüngst der Wotan in der Walküre, die Stimme. Vielmehr behält er sie, doch er bringt in Hauptsache nur noch die falschen Töne hervor.

Darüber war man umso mehr erstaunt, als sich Sergej Khomov mit einem ganz passabel gesungenen Lied von Klein Zack durchaus einnehmend eingeführt hat und auch das Olympia-Bild, den Antonia-Akt aber wohl schon mehr schlecht als recht, einigermaßen durchhielt.

Wild gewordene Optik

Jelena Bodrazic hatte als Antonias Mutter einen wirksamen Auftritt, Wolfgang Gratschmaier sorgte für Schärfe in der Zeichnung von Spalanzani und Nathanael, Eva Maria Riedl war als Muse und Niklaus gleich unauffällig, was auch von Daniel Schmutzhards Schlemihl und Einar Th. Gudmundssons Crespel gesagt werden kann.

Diese Produktion leidet an ihrer irgendwie wildgewordenen Optik. So wurde man eben Zeuge der verschiedensten Halbheiten. Kurz gesagt, es wirkte einiges im Ansatz ganz schön, aber letztlich doch unfertig. Vor allem wog der Fehler schwer, die fürs Erste doch ziemlich verworrene Handlung von Hoffmanns Erzählungen nicht zu klären zu versuchen, sondern im Gegenteil noch weiter zu verwirren.

Das Motiv des Spiegels wurde gewissermaßen zum die Gesamtgestaltung verkrampfenden Prinzip. Fast jede Aktion fand ihre Spiegelung.

Durch die Konzentration auf diese blieb keine Zeit für das Detail. Die Darsteller wechseln ihre aufwändigen Kostüme völlig sinnlos auf offener Szene. Die grotesken Figuren sind auswechselbar und konturlos. Dafür beleben zwei Liliputaner immer wieder ganz unmotiviert die Szene. Cochenille geht, anstatt die Harfe zu holen, an den Bühnenrand dorthin, wo im Orchestergraben die Harfe steht. Und das Duell zwischen Schlemihl und Hoffmann findet überhaupt nicht statt. (Peter Vujica/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 17. 12. 2007)