In der Praxis wird das aber nicht passieren, beruhigt Hauptverbandschef Erich Laminger. NGOs fordern Förderungen auch für Demenzkranke.

*****

Wien – Die Neuregelung der 24-Stunden-Pflege zu Hause sorgt täglich für neue Verwirrung. Am Donnerstag sagte ein Vertreter der Tiroler Gebietskrankenkasse auf Ö1, es sei denkbar, dass ab 2008 rückwirkend Sozialversicherungsbeiträge für bisher illegale Pfleger eingehoben werden. Da man bis zu fünf Jahre zurück fordern könne, könnten so in manchen Fällen mehrere zehntausend Euro anfallen. Der Grund dafür: Bis Ende Dezember 2007 gilt zwar eine Amnestieregelung, durch die das Schwarz-Beschäftigen von Pflegern ungestraft bleibt. Streng nach Gesetz gilt das aber nicht für die Sozialversicherung.

„Nicht aktiv prüfen“

Im Hauptverband der Sozialversicherungsträger reagierte man prompt: Man werde keine Kontrollen durchführen, korrigierte Vorstandschef Erich Laminger seinen Tiroler Kollegen. „Wir interpretieren den Gesetzgeber so, dass er mit der Straffreiheit auch die Sozialversicherungsbeiträge meint. Wir werden daher nicht aktiv prüfen“, sagte Laminger zum Standard.

Die Seniorenvertreter von SPÖ und ÖVP, Karl Blecha und Andreas Khol, fordern sogar eine gesetzliche Klarstellung. Sie befürchten, dass niemand Pfleger legalisiert, wenn er Rückforderungen zu befürchten hat. Im Büro von Gesundheitsministerin Andrea Kdolsky (ÖVP) wurde auf die Zuständigkeit von Sozialminister Erwin Buchinger (SPÖ) verwiesen. Dieser war am Donnerstag nicht erreichbar. ÖVP-Generalsekretär Hannes Missethon forderte ihn umgehend auf, „eine Lösung für dieses Problem zu finden“.

Angesichts offener Fragen plädieren auch die Grünen für eine Verlängerung der Amnestie. Bis dahin solle ein „umfassendes Pflegekonzept“ erarbeitet werden. Die steigenden Kosten will Parteichef Alexander Van der Bellen über eine Vermögenssteuer finanzieren.

Kritik kommt auch von Hilfsorganisationen. Caritas und Rotes Kreuz bemängeln die Einstufungspraxis für das Pflegegeld. Die Erfahrung zeige, dass Menschen, die an Demenzerkrankungen leiden und dadurch betreuungsbedürftig sind, zu niedrig, meist auf Stufe 2, eingestuft würden, sagte Alexander Bodmann, Generalsekretär der Caritas Wien. Das Bundesmodell schließe diese Menschen von der Förderung aus, „weil Demenz bei den Kriterien für das Pflegegeld zu wenig berücksichtigt wird“.

Werner Kerschbaum vom Roten Kreuz: „Der Betreuungsbedarf von Demenzkranken wird an der Mobilität gemessen.“ Wer an Alzheimer oder einer anderen Demenzerkrankung leidet, kann sich meist gut bewegen, braucht aber, weil verwirrt und orientierungslos, zeitaufwändige Betreuung. Der Aufwand werde aber in den Richtlinien nicht berücksichtigt. Die Forderung von Caritas und Rotem Kreuz: Richtlinien ändern oder Demenzkranke automatisch eine Stufe höher einstufen.

Hilfswerk und Volkshilfe rechneten vor, dass legale Pflege in manchen Fällen ab 1. Jänner sogar billiger wird, als die bisher illegale. Und zwar für Personen, die pro Jahr über 20.000 Euro verdienen und die Pflegekosten von der Steuer absetzen. Für Kleinverdiener wird das legale Modell teurer. (Günther Oswald und Jutta Berger/DER STANDARD, Printausgabe, 14.12.2007)