Wer auch immer hinter dem Anschlag auf den libanesischen General François al-Hajj am Mittwoch steht, die Attentäter hatten nicht nur einen Armeeoffizier im Visier. Sie wollten auch die politische Einheit des Libanon zerstören. Denn seit den blutigen Kämpfen um das palästinensische Flüchtlingslager Nahr al-Bared gilt die Armee als letzte Bastion eines geeinten Libanon. In Nahr al-Bared hatte sich eine sunnitische Extremistengruppe verschanzt. Nach monatelangen Kämpfen eroberte die Armee das Lager zurück - und triumphierte in den Augen vieler Libanesen.

Die politische Elite des Landes ist hingegen heillos zerstritten, das System gelähmt. Auf der einen Seite steht die sunnitisch dominierte Regierung; ihr gegenüber die Opposition, bestehend aus einem Bündnis der schiitischen Gruppen Hisbollah und Amal mit dem christlichen Ex-General Michel Aoun. Diesmal entzweit die Parteien die Wahl eines neuen Präsidenten. Aber darum geht es nur vordergründig. Was die Einigung so schwer macht, ist die Frage der künftigen Machtverteilung. Seit dem Abzug der Syrer 2005 und dem Krieg mit Israel 2006 werden die Karten im Libanon neu gemischt. Die Hisbollah, die bisher den Süden des Landes kontrolliert hat, sucht ihren neuen Platz im System.

Der Mord an Hajj wird die Blöcke weiter auseinanderdividieren. Das erste Signal: Nur wenige Politiker sprachen nach dem jüngsten Attentat noch davon, dass die Präsidentenwahl nun rasch über die Bühne gehen muss, um eine Destabilisierung zu vermeiden. Geplant ist der neunte Versuch, einen Staatschef zu wählen, am kommenden Montag.

Doch ein Kalkül zeichnet sich ab: Ende Dezember endet die Sitzungszeit des Parlamentes. Gelingt bis dahin keine Einigung, bleibt der Präsidentenstuhl bis März leer. Jede Menge Zeit für die zerstörerischen Kräften im Libanon. (DER STANDARD, Printausgabe, 13.12.2007)