Oligopson. So nennen Wirtschaftswissenschafter den Zustand, wenn nur wenige große Nachfrager einer Vielzahl von Anbietern gegenübersteht. Und wenn die Nachfrager so mächtig sind, dass Marktgesetze für sie nicht mehr gelten. Sie können Preise diktieren, Warenqualität nach eigenem Gutdünken bestimmen – und im Extremfall die Existenz eines Anbieters von einem Tag auf den anderen beenden.

In so einem Oligopson lebt die heimische Getränke- und Nahrungsmittelindustrie seit einem Jahrzehnt: Mitte der 90er-Jahre brach der rote Riese Konsum zusammen, wenig später gab der Edelgreißler Meinl – heute Banker mit Problemen – den Lebensmittelhandel bis auf sein Gourmethaus am Wiener Graben auf. Profiteure waren Billa und Spar, sie übernahmen die Standorte en gros. Und expandierten aus eigener Kraft kräftig weiter.

Daneben entstand als dritte Kraft der Diskont, vor allem die Aldi-Tochter Hofer legte ein beeindruckendes Wachstum hin.

Für die Industrie war dies alles andere als erfreulich. Ein Beispiel: Als etwa der Schokoriegel- und Tiernahrungshersteller Masterfoods vor den Kartellbehörden in Brüssel nicht die Aussage machte, die sich der damals mächtige Rewe-Austria-Chef Veit Schalle (heute BZÖ-Abgeordneter) gewünscht hatte, flogen Mars und Whiskas kurzerhand aus den Regalen. Das tat einer Österreichtochter eines Weltkonzerns weniger weh als dem oberösterreichischen Wurstwarenproduzenten Neuburger, der ebenfalls in Ungnade fiel, weil er einmal die Preise erhöhen wollte.

Dass die Einkäufer des Konkurrenten Spar mit den Lieferanten zärtlicher umgehen, davon darf getrost nicht ausgegangen werden. Der Familienkonzern mit Sitz in Salzburg hatte damals nur eine bessere Öffentlichkeitsarbeit als Billa unter den alten Chefs.

Für die Industrie liegt jedenfalls heuer ein Packerl mit wenig angenehmem Inhalt unter dem Christbaum: Rewe Austria will die Mehrheit bei Adeg übernehmen. Seit einem Jahr hatte man über eine Minderheitsbeteiligung den Fuß in der Tür. Gemessen an den Marktanteilszahlen 2006 würde dies bedeuten, dass die Tochter des deutschen Einzelhandelsriesens von 29,7 auf 35,6 Prozent steigt.

Für die Konsumenten besteht eigentlich Wettbewerb genug: Spar und Rewe geben sich kalt-warm im Segment der mittleren und höheren Preise, beide müssen den stark expansiven Diskontern Hofer und Lidl entgegentreten.

Die derzeit hohen Lebensmittelpreise haben übrigens nichts mit der Konkurrenzsituation auf dem Konsumentenmarkt zu tun als vielmehr mit der steigenden Nachfrage in Schwellenländern, der Dürre in Australien sowie dem Gier nach Pflanzenbauflächen seitens der Agrarsprithersteller. Nachdenklich macht höchstens das Faktum, dass die Einkaufsabteilungen von drei Konzernen in Österreich bestimmen, was in fast 80 Prozent der Haushalte täglich auf die Tische kommt.

Gelten darf in der Prüfung des Deals auf keinen Fall nur das Argument, dass das übernommene Unternehmen nicht überlebensfähig sein würde, wenn der große Marktführer nicht einspringen würde. Von der altruistischen Rhetorik – sinngemäß: "Es geht um die Rettung eines 100 Jahre alten Unternehmens und der Kaufleute" – darf sich niemand blenden lassen. Es geht um die Ausdehnung der Marktmacht, sonst gar nichts. Für Adeg gäbe es nämlich auch Alternativen: Die Kaufleute könnten sich anderen Gemeinschaften anschließen, eine Fusion mit Zielpunkt/Plus unter einem sanierungserfahrenen Management hätte auch Charme.

Was wirklich Jobs sichert, ist gesunder Wettbewerb unter Gleichberechtigten – auf dem Konsumentenmarkt wie auf dem Beschaffungsmarkt. Wenn der Deal ohne strenge Auflagen der Kartellbehörden durchgehen würde, wäre das ein Offenbarungseid für die Zahnlosigkeit des Antitrust-Systems in Österreich – wenngleich die unfassbare Marktkonzentration im Medienbereich, die in den 90er-Jahren zugelassen wurde, noch immer ihresgleichen sucht. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 12.12.2007)