Nicht selten werden Mitarbeiter als Selbstständige abgerechnet, obwohl sie sich durch nichts von ihren angestellten Kollegen unterscheiden. Das kann den "Auftraggeber" nach einer aktuellen Entscheidung des Obersten Gerichtshofes ( 8 ObA 49/07 z vom 11. 10. 2007) teuer zu stehen kommen. Zehn Jahre lang arbeitete der Kläger als Unternehmensberater für Management-Informationssysteme. Er beriet und betreute dabei Kunden seines "Auftraggebers", führte dessen Angestellte in einem Projektteam und leitete schließlich auch die unternehmensinterne EDV. In grundsätzlichen Fragen hatte er die Entscheidung seines Vorgesetzten zu beachten. Dem Kläger stand im Unternehmen ein Büro zur Verfügung, das er täglich benützte. Von den Kunden wurde er als Angestellter angesehen. All diese Leistungen erfolgten auf Grund eines "Werkvertrags" und wurden nach Stundensatz (zunächst 485 Schilling plus Umsatzsteuer) abgerechnet. Für die Versteuerung war der Kläger selbst verantwortlich.

Anstellung angeboten

Später entschloss sich das Unternehmen, keine "Selbstständigen" mehr zu beschäftigen, sondern alle Mitarbeiter in die Unternehmensstruktur einzubinden. Es bot daher auch dem Kläger mehrmals eine Anstellung an. Der ließ sich dazu aber partout nicht überreden. Die Zusammenarbeit mit dem Kläger endete, als das Unternehmen in finanzielle Schwierigkeiten geriet. Vor Gericht argumentierte dieser dann, dass er in Wahrheit Arbeitnehmer war. Er forderte die gesetzliche Abfertigung im Ausmaß von vier Monats-"Gehältern", und zwar auf Basis seines bisherigen Honorars. So kam er auf einen Abfertigungsbetrag in Höhe von 35.000 Euro. Das Unternehmen ließ das nicht gelten: Die Klage sei rechtsmissbräuchlich und verstoße gegen "Treu und Glauben". Es argumentierte mit einem vergleichbaren Fall aus Deutschland. Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts darf ein Arbeitnehmer, der sich jahrelang allen Versuchen des Arbeitgebers widersetzte, zu ihm in ein Arbeitsverhältnis zu treten, dessen Vertrauen nicht enttäuschen. Es würde gegen „Treu und Glauben“ verstoßen, wäre es erlaubt, sich nach Belieben mit eigenen früheren Erklärungen und Verhalten derart in Widerspruch zu setzen. Der OGH entschied genau gegenteilig: Den Grundsatz von "Treu und Glauben" wendet er für Österreich nicht an. Der Kläger soll die Abfertigung daher dem Grunde nach erhalten – über die Höhe wird noch weiter prozessiert. Wenn ein Arbeitnehmer Ansprüche geltend macht, die im Widerspruch zu seinem früheren Verhalten stehen, ist das kein Rechtsmissbrauch. Zwingende arbeitsrechtliche Regelungen wie der Anspruch auf Abfertigung gehen dem Vorwurf widersprüchlichen Verhaltens vor.

Zahlreiche Ansprüche

Die Entscheidung hat weitreichende Konsequenzen. Neben dem Anspruch auf Abfertigung sind zahlreiche andere arbeitsrechtliche Ansprüche zwingend. Auch auf bezahlten Urlaub und Entgeltfortzahlung bei Krankheit können Arbeitnehmer nicht wirksam im Vorhinein verzichten. Es ist zu erwarten, dass Scheinselbstständige auch solche Ansprüche einklagen können – selbst wenn es ihr ausdrücklicher Wunsch war, als Unternehmer beschäftigt zu werden. (Kristina Silberbauer, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 12.12.2007)