Jamburg - Die Stadt am Ende der Welt, wie Jamburg ins Deutsche übersetzt heißt, ist keine Stadt zum Leben. Wer dorthin fährt oder vielmehr dorthin fliegt, hat außer Arbeit nichts im Sinn. Die Zeit nach der Schicht dient der Regenerierung. Dann ist in der Gasprom-Stadt Jamburg auch ein Krügerl Bier erlaubt. Bei den Bohrstellen im Umland und in der Erdgasaufbereitung ist Alkohol hingegen strikt verboten.

"Wiener Bier" heißt der Gerstensaft, der hier – rund 200 km nördlich des Polarkreises – ausgeschenkt wird. Warum Wiener Bier? "Weil die Anlage ein Unternehmen aus Wien geliefert hat", sagt Braumeister Viktor Golik dem STANDARD. An den Namen kann er sich nicht erinnern. "Die Anlage funktioniert, alle sind zufrieden", sagt er.

Seit 14 Jahren arbeitet Golik als 1. Braumeister in Jamburg. Vorher war er Ingenieur. In Österreich sei er nie gewesen, eine Passion für Bier, ja die habe er immer schon gehabt. Golik schmeißt den Laden mit zwei Mitarbeitern, die für die Technik zuständig sind und auch die Wartung machen.

Zu dritt produzieren sie 1100 Liter Bier pro Tag, ein Helles mit 4,0 Prozent und ein Dunkles mit 5,5 Prozent Alkoholgehalt. "Wir könnten natürlich mehr brauen, aber mit 1100 Litern kommen wir gut durch", sagt Golik. Braumalz wird in großen, weißen Säcken von der Firma Stamag aus Wien-Stadlau bezogen.

In Jamburg leben rund 12.000 Männer und Frauen, wobei sich die Hälfte aber immer „auf dem Festland aufhält, wie man hier sagt – "dort, wo es Erde gibt." In Jamburg gibt es nur Sandböden, die in den langen Wintern bei Temperaturen von selten unter 40 Grad Minus metertief gefroren sind.

Die in der Tiefe zu Sandstein gepressten Böden haben in ihren Poren Unmengen an Gas gespeichert – der Hauptgrund der Leute, hierher zu kommen, einen Monat durchzuarbeiten und nach einem Monat "Festlandurlaub" von Neuem zu beginnen. Kinder dürfen nicht hierher. Das Bier aus Jamburg, eine der am weitesten im Norden gelegenen Brauereien der Welt, gibt es nur im Fass. Exportiert wird das Bier nicht.

Im Sommer, sagt Braumeister Golik, sei das Bier gefragter als im Winter. In der kalten Jahreszeit habe Wodka eindeutig die Oberhand.

Wie sämtliche Zutaten für das Bier muss auch Wodka importiert werden. In Jamburg selbst gibt es nur Gas, und selbst das muss aus gut 3000 Metern Tiefe geholt werden. (Günther Strobl, Jamburg, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 11.12.2007)