Janet Cobb ist als ehrenamtliche Lebens-, Sterbe- und Trauerbegleiterin tätig.

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Thomas Fröhlich ist Koordinator des mobilen Hospiz des ÖBR.

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Fridolin Stögermayer, Obmann des Vereins Mobiles Hospiz der ÖBR, mit einer ehrenamtlichen Mitarbeiterin.

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Noch einmal den Kopfpolster aufschütteln, mit einem feuchten Waschlappen das Gesicht kühlen oder zuhören: SterbebegleiterInnen leisten Dienste, die Sterbenden die letzten Stunden erleichtern. Im Herbst 2006 hat der erste Lehrgang für ehrenamtliche Sterbebegleitung des Vereins Mobiles Hospiz der österreichischen buddhistischen Religionsgesellschaft (ÖBR) begonnen. Janet Cobb ist eine der Ehrenamtlichen. Im Gespräch mit derStandard.at erzählt sie, warum sie ihr Dienst glücklich macht, wie die Ausbildung aussieht, welche buddhistischen Grundhaltungen dabei helfen und dass Sterbende ernst genommen werden wollen.

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Tabuthema Sterben? "Die breite Gesellschaft nimmt an, dass keiner eine ehrenamtliche Tätigkeit im Hospiz verrichten will. Das ist nicht der Fall. Es gibt sogar Wartelisten", sagt Janet Cobb. Und das, obwohl SterbebegleiterInnen viel Zeit investieren müssen: Nach dem 70-stündigen Lehrgang, der sich in fünf Module unterteilt, sind 40 Stunden Praktikum und verpflichtende Supervisionen vorgesehen.

Buddhisten, Katholiken und Konfessionslose

Die Ausbildung der Ehrenamtlichen ist für alle offen: Die Module der Lehrgänge werden von der katholischen Nonne Annemarie Gamsjäger geleitet, die seit 25 Jahren in der Hospizarbeit tätig ist. "Assistiert wird sie von einer Buddhistin, die zum Beispiel in den Pausen mit uns Qigong Übungen macht. In der Gruppe sind Buddhisten, Katholiken und Konfessionslose wie ich", sagt Janet Cobb.

"Unsere erste Frage ist sicher nicht, ob die Kursteilnehmer dem Buddhismus angehören", bestätigt Fröhlich. Auch die PatientInnen schätzen das neutrale Angebot der ÖBR, sagt Fröhlich: "Die Angst, noch einmal missioniert zu werden oder sich sündig fühlen zu müssen ist zwar unbegründet, aber dennoch oft in den Köpfen der Menschen."

Selbsterfahrung

Am Anfang der Ausbildung geht es hauptsächlich um Selbsterfahrung und die Auseinandersetzung mit dem eigenen Sterben. Inhaltliche Schwerpunkte werden auf medizinische Informationen, pflegerische Grundbegriffe und die ethnisch-juridische Dimension gesetzt. Das letzte Modul hat Trauerarbeit zum Thema. Nach Abschluss des Lehrgangs bekommen die TeilnehmerInnen ein offizielles Zertifikat und das Praktikum kann beginnen.

Seit Juni ist Cobb im Krankenhaus "Göttlicher Heiland" aktiv. "Es ist wunderbar zu erfahren, wie Menschen verschiedener Nationalitäten, aus allen Gesellschaftsschichten, heterosexuell oder homosexuell, gepflegt, mit Respekt und vollkommen gleich behandelt werden", sagt Janet Cobb.

Loslassen

Die ehrenamtliche Sterbebegleiterin hat in ihrem Umfeld unterschiedliche Reaktionen erlebt: "Ein Bekannter hat gemeint, dass ich doch viel mehr gebe, als ich zurück bekomme. Das stimmt überhaupt nicht." Nach jedem Dienst sei Cobb dankbar: "Was mir vorher Sorgen gemacht hat, wird unwichtig. Es relativiert alles."

Cobb stellt eine Verbindung zur buddhistischen Grundhaltung des Antimaterialismus her: "Je weniger materialistische Anhängsel man hat, umso einfacher kann man gehen. Denn das Leben heißt loslassen." Janet Cobbs Auseinandersetzung mit dem Thema begann vor zehn Jahren, als ihr Vater starb. Vor seinem Tod konnten sie vieles klären und Cobb empfindet diese Zeit noch heute als "Geschenk, das ihr viel Kraft gibt".

Gast

Die Zeit mit den Sterbenden ist kurz und intensiv. "Hospiz heißt übersetzt 'Gastfreundschaft'. Das erklärt unsere Arbeit recht gut, denn wir sind Gäste im Leben des anderen", sagt Fröhlich. Janet Cobb erzählt von einem Erlebnis, das ihre Familie miteinbezog: "Eine Dame wollte gerne meinen Ehemann kennen lernen, da wir viel über unsere Familien gesprochen haben." Cobbs Ehemann hat den Wunsch erfüllt, was der älteren Dame große Freude bereitete. "Meine Erfahrung ist, dass sterbende Menschen sehr wohl ein Bedürfnis nach Gesellschaft haben und nicht abgeschoben, sozusagen lebendig begraben, werden wollen", sagt Fröhlich.

Meditation und Selbstreflexion

Die buddhistische Grundhaltung beinhaltet Achtsamkeit und Bescheidenheit. "Im praktischen Tun denke ich mir, dass Menschen, die einen buddhistischen Hintergrund haben, durch Meditation und Selbstreflexion gelernt haben, sich zurück zu nehmen und dadurch gute Voraussetzungen haben, Sterbebegleitung zu leisten. Um es plakativ auszudrücken: Sie stehlen den Sterbenden nicht die Show", sagt Fröhlich. "Es ist wichtig, das eigene Ego in diesem Dienst zurück stellen zu können und einfach nur zuzuhören", bestätigt Cobb, die seit Jahren meditiert.

Ohne Verbitterung

"Wenn mir die Patienten ihre Lebensgeschichte erzählen, erinnern sie sich oft wieder an die schönen Sachen", sagt Cobb. Wichtig sei, dass keine Verbitterung übrig bleibt, ergänzt Fröhlich: "Ich vergleiche das immer mit einem guten Essen. Nur weil der letzte Bissen nicht geschmeckt hat und man vielleicht ein Pfefferkorn erwischt hat, muss nicht das ganze Essen schlecht gewesen sein." (Julia Schilly/derStandard.at, 10. Dezember 2007)