In einem "Club 2" im Jahr 1986: Alfred Hrdlicka kultiviert seine Streitlaune.

Foto: ORF/Screenshot: Cremer
"Kühl, sehr kühl." Diese gezählten drei Wörter waren die Antwort eines Wiener Sandlers in einem "Club 2" in den 80er-Jahren auf die Frage des Gastgebers, wie er denn den Winter verbracht hätte. Gleichzeitig war es sein einziger Beitrag in einer Diskussion, die schon deshalb wortreich ausfiel, weil der damalige Wiener Bürgermeister ebenfalls zu Gast war: Helmut Zilk. Den Rest der gut zweistündigen Gesprächsrunde über die Schicksale von Obdachlosen in der Bundeshauptstadt verfolgte nämlicher Sandler schweigend. Er labte sich an den obligatorisch bereitgestellten Soletti und nippte am Orangensaft.

Das war eine der Qualitäten des "Clubs": Themen, ob jetzt besprochen oder beschwiegen, viel Zeit und Raum zuzugestehen. Nun hat sich die Medienwelt seit der Einstellung des "Club 2" im Jahr 1995 drastisch verändert. Durch die "Echtzeit-Möglichkeit", an Informationen aller Art heranzukommen, wird die Zeit, die Themen zugestanden wird, immer gedrängter. Dieser Verdichtung fällt nicht selten die Vertiefung zum Opfer. Siehe dazu aktuelle Diskussionsplattformen – nicht nur, aber auch im ORF, bei denen in selten mehr als 75 Minuten alle – meist fantasielos ausgesuchten – Gäste dreimal ihre toll gecoachten Sprechblasen wiederholen dürfen – und tschüss!

Für den Betrachter vor dem Bildschirm wird so selten mehr aufgeführt als die Bestätigung bekannter Positionen: Der ist gegen Dings, die dafür, der schläft wieder fast ein, eh klar, dass sich die darüber aufregt. Der Informationsgewinn solcher "Diskussionen" ist gleich null, aber hey, Hauptsache geile Quote!

Die Chance, sich zu blamieren

Will der nun wiederbelebte "Club 2" bestehen, wird er sich von dieser zeitgeistig verseuchten "Diskussionskultur" lossagen müssen. Er muss den Gedanken Zeit einräumen. Das wird die Geistreichen ehren und die Dummen überführen. Denn auch das war eine Kernqualität dieser institutionalisierten, zweimal in der Woche ausgestrahlten Diskussionen aus den abgewetzten Ledersofas: Sie gab den Beteiligten die Chance, zu reüssieren oder sich zu blamieren.

In zwei Stunden oder mehr konnte man die Verfechter von verschiedenen Positionen lieben oder hassen lernen. Man konnte Alfred Hrdlicka zusehen, wie er sich langsam mit seinem unterm Tisch "versteckten" Klaren in Streitlaune trank oder wie vermeintlich souveräne Standpunktblockwarte argumentativ zusehends verfielen und im nervösen Ketterauchen Zuflucht suchten.

Wenn der "Club 2" seine Seherinnen und Seher so süchtig nach ihm machen will, wie er das früher schaffte, wird er sich seiner alten Verführungsqualitäten besinnen müssen.

Nun wird im neuen "Club 2" wahrscheinlich nicht gesoffen oder geraucht werden. Will er seine Seherinnen und Seher aber so süchtig nach ihm machen, wie er das früher schaffte, wird er sich seiner alten Verführungsqualitäten besinnen müssen. Das bedeutet, über den beschränkten und beschränkenden Horizont der Quote zu blicken und sich auch vermeintlich und tatsächlich unpopulärer Themen anzunehmen: "Liebe wird aus Mut gemacht", wusste einst schon die deutschen Sängerin Nena in bestechender Einfachheit zu diagnostizieren.

Ohne diesen Mut kann man es gleich sein lassen. Und bringt man ihn auf, dann sollte er auch von einem langen Atem begleitet sein. Denn wenn man gleich wieder nachjustiert, wenn er nach wenigen Wochen nicht "entspricht", hat man den "Club 2" in seinem Wesen nicht verstanden. (Karl Fluch/DER STANDARD/Album/Printausgabe, 7./8./9.12.2007)