Berlin - "Der Vertrag, wie er jetzt unterzeichnet wird, ist ein Maximum an Unverständlichkeit", räumte die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel bei einem Symposium des "Konvents für Deutschland" ein, das am Mittwoch in Berlin stattfand. Sie sprach damit den in der nächsten Woche von den EU-Mitgliedsstaaten zu unterzeichnenden Vertrag von Lissabon an, der anstelle der angestrebten EU-Verfassung vereinbart wurde.

"Etwas verschämt"

Der Vertrag sei "noch weit entfernt von jener Klarheit, wie in der deutschen Verfassung Kompetenzen zugeordnet seien", sagte die Kanzlerin. "Ich neige dazu, das nach meinem jetzigen Verständnis als Prozess zu begreifen." Die angeschlossene Grundrechtscharta komme "gedruckt etwas verschämt daher", sagte Merkel. Neuen Elementen wie dem europäischen Bürgerbegehren stehe sie "sehr zurückhaltend gegenüber".

Bezüglich der neu geschaffenen Ämter eines Beauftragten für die Außenpolitik und eines Präsidenten des Rates schlug die deutsche Kanzlerin "Personen des Ausgleichs" vor, äußerte aber gleichzeitig ihre Sorge, was der Ratspräsident mache, wenn er nicht gerade einen Rat vorbereite: "Tut er sich dann mit dem Kommissionspräsidenten zusammen, isst mit ihm Mittag und Abendbrot und schmiedet mit ihm Pläne, oder ist er ein echter Vertreter des Rates?"

Kleine Konsensler

Bezüglich der Festlegung der Kompetenzen innerhalb der EU und den Grundsatz der Subsidiarität lobte Merkel: "Gerade die Kleinen arbeiten sehr konsensorientiert." Weiter ging die frühere Gewerkschaftsvorsitzende Monika Wulf-Mathies bei dem Symposium: Deutschland fehle häufig eine "kohärente" eigene Position in Brüssel, weil die Bundesländer unterschiedliche Haltungen verträten. "Andere wie Österreich haben es vorgemacht, wie es mit einer einheitlichen Außenvertretung gehen könnte, sagte Wulf-Mathies.

Der Bundesvorsitzende der Europäischen Föderalistischen Bewegung Österreichs, Friedhelm Frischenschlager, nannte zur Begründung, dass in Österreich "das ganze System durch das Parteipolitische übersteuert" werde, also es weniger um Abstimmungen zwischen den Ländern und dem Bund, sondern innerhalb der Parteipolitiker auf den jeweiligen Ebenen, gehe: "Es werden Rechte einfach nicht geübt", sagte Frischenschlager.

Wurmfortsatz

bschließend äußerte der Leiter des Konvents, der frühere deutsche Bundespräsident Roman Herzog, zwei Wünsche für "mehr Europa": Dort, wo es um den gemeinsamen Markt und um die Außen- und Sicherheitspolitik gehe: "Da geht es um die Frage, ob es uns in ein paar Jahrhunderten auf diesem Wurmfortsatz des eurasischen Kontinents noch geben wird", meinte Herzog.(APA)