41,5 Prozent der Sendezeit vor der Parlamentswahl
entfielen auf den Präsidenten, 35,1 Prozent auf seine Regierung und
16,5 Prozent auf seine Partei Geeintes Russland. Das macht insgesamt
93,1 Prozent der Nachrichten in der Hauptsendezeit. Der staatliche
russische TV-Sender "Erster Kanal" (Perwij Kanal) steht exemplarisch
für den geschrumpften Freiraum für kritischen Journalismus in der
russischen Medienlandschaft. Präsident Wladimir Putin ist im
Staatsfernsehen omnipräsent, die Opposition dagegen kaum existent.
Ren TV als Ausnahme
Zu diesem Schluss kommt eine Studie des "Zentrums für Journalismus
in Extremsituationen" (CJES), einer für die Unabhängigkeit der
Massenmedien eintretende Organisation der russischen
Journalisten-Union. Demnach entfielen in drei November-Wochen vor den
Parlamentswahlen in vier der fünf untersuchten russischen TV-Sender
mehr als drei Viertel der Nachrichten-Sendezeit auf Präsident,
Regierung und Regierungspartei. Lediglich der Privatsender Ren TV
tanzte mit teilweise negativer Berichterstattung aus der Reihe.
Ren TV befindet sich zu 30 Prozent im Besitz der luxemburgischen
RTL Group, die 70-Prozent-Mehrheit hält seit April die kremlnahe Bank
Rossija. Dennoch hat die Gleichschaltung den Sender offenkundig
bisher nicht vollständig erreicht. Ren TV kommt im Vergleich zum
staatlichen Rundfunk nur auf einen relativ geringen Marktanteil von
etwa fünf Prozent und kann landesweit nicht flächendeckend empfangen
werden.
Restriktionen und Schikanen
Weitere kremlkritische Medienunternehmen sind der Radiosender
"Echo Moskwy" sowie die Zeitungen "Kommersant" und "Nowaja Gazeta",
bei der unter anderem die 2006 ermordete Journalistin Anna
Politkowskaja gearbeitet hatte. Sie alle hatten laut Angaben der
Organisation Reporter ohne Grenzen (RSF/RoG) im Vorfeld der
Duma-Wahl, die am Wochenende mit einer überwältigenden Mehrheit für
die Putin-Partei geendet hatte, mit Restriktionen und Schikanen zu
kämpfen.
Journalisten festgenommen
Mehrere Journalisten waren etwa im November gemeinsam mit
Demonstranten festgenommen worden, die ihre Solidarität mit dem
verhafteten Oppositionspolitiker Garry Kasparow bekundet hatten.
Irina Borobjewa wollte für Echo Moskwy vom Geschehen vor der
Generaldirektion für Inneres berichten, ehe sie von der Polizei
mitgenommen wurde. Die Radioreporterin musste ihre Anwesenheit bei
der Kundgebung schriftlich begründen, berichtete sie Reporter ohne
Grenzen. Borobjewa habe daraufhin von der Polizei den Auftrag
erhalten "etwas ziemlich Mildes" zu senden.
Die Gleichschaltung erfolgt laut CJES-Studie auf breiter Front.
Vor allem der staatliche Rundfunk, der immer mehr zum Machtinstrument
Putins und zu dessen persönlicher PR-Maschine wird, erfülle seinen
öffentlichen Auftrag nicht. Objektive Berichterstattung zu relevanten
politischen Themen und Parteien fehle, schloss die CJES-Studie aus
ihrer Inhaltsanalyse russischer Nachrichtensendungen in der
Vorwahlzeit. (APA)