Aussicht vom Weingut Valdhuber in Zagora Kungota: Am Hügelkamm beginnt die österreichische Steiermark.

Foto: Luzia Schrampf

Weingärten und Obstkulturen bei Valdhuber

Foto: Schrampf

Die Trauben für Süßwein am Weingut Pra-Vino von Curin-Prapotnik hängen Ende November noch draußen.

Foto: Schrampf

... direkt unterm „Klopotec“, der in seiner Funktion allerdings durch Raubvogelgeschrei vom Tonband und Schreckschüsse, abgelöst wurde.

Foto: Schrampf

Miro Munda, Partner der Brüder Polz aus Ehrenhausen, in seinem Reich ...

Foto: Schrampf

... und im ältesten Teil seines Kellers, in dem sein Urgroßvater begonnen hat, Wein zu machen.

Foto: Schrampf

Vertikalbepflanzung ist State of the Art im Weingarten. Breite terrassierte Anlagen, die auch leichter mit Traktoren bearbeitet werden konnten, entstanden meist in kommunistischen Zeiten des „Viel ist gut“ und werden heute entweder in schmale Terrassen umgebaut mit höherer Stockdichte, dafür weniger Ertrag pro Stock oder gerodet und vertikal neubepflanzt.

Foto: Schrampf

Sonnenaufgang in Jeruzalem.

Foto: Schrampf

Im Hintergrund die Kirche in Jeruzalem.

Foto: Schrampf

Dveri Pax in Jarenina: Das Gebäude ist ein 300 Jahre alter Stall, der zu einem modernen Keller umgestaltet wurde.

Foto: Schrampf

Verkostet wird in wunderbar renovierten historischen Gewölben.

Foto: Schrampf

Ausgebaut wird in Stahltanks ...

Foto: Schrampf

... oder im traditionellen großen Holzfass.

Foto: Schrampf
Die Gegend hier als die logische Fortsetzung der Steiermark abzutun, wird ihr nicht gerecht. Der Name Jeruzalem ist natürlich ein Hauptgewinn, "eine natürliche Marke", wie es Miro Munda bezeichnet. Er ist Winzer in Jeruzalem-Kog und Joint-Venture-Partner der Polz-Brüder aus dem etwa 70 Kilometer entfernten Ehrenhausen in der Steiermark, eines von mehreren Projekten in die österreichische Winzer involviert sind. Wenn man Sloweniens Form auf der Landkarte als einen nach Osten blickenden Hahn interpretiert, liegt die beiden kleinen Orte mit rund 900 Einwohnern sozusagen auf den Lappen unter dem Schnabel, auf den letzten Hügeln am nordöstlichen Rand in unmittelbarer Nähe zur kroatischen Grenze, wo man die Weite der Pannonischen Ebene vor einem hat. Weinbau wird an den recht steilen Hängen der knapp 400 Meter hohen Hügel betrieben, die manchmal auch noch breit terrassiert sind. Ein Erbe aus kommunistischen Zeiten der "Viel ist gut"-Philosophie, als noch keine geländegängigen Weingartentraktoren eingesetzt wurden.

Der Osten ist seit der Jugoslawien-Ära Weißweingebiet und perfekt geeignet, um aromatisch klare, frische Weine mit reifer Frucht und runder Säure sowie nicht allzu viel Alkohol zu erzeugen, ein Weinstil, der anderswo oft nur durch (zu) frühe Lese erreicht wird. Weine aller Rebsorten erreichen – "auf natürliche Weise", wie Miro Munda betont - Alkoholgradationen von 10 bis etwa 12 Prozent, was angesichts des internationalen Trinktrends zu Weißweinen und weniger Alkohol-geprägten Tropfen Zukunft haben könnte.

Viele Rebsorten kennt man: Laski Rizling (Welschriesling), Rumeni Muscat (Gelber Muskateller), Sivi Pinot (Grauburgunder), Sauvignon Blanc oder Traminec (Traminer) sind weit verbreitet. Die Weinstile reichen von trocken bis zur süßen, durch Botrytis entstandenen Trockenbeerenauslese mit hohem Anspruch. Dem wärmeren Klima ist es zu verdanken, dass sich auch Weine aus Rebsorten, die von Natur aus höhere Säure haben, vergleichsweise rund und reif "anschmecken". Dennoch haben sie mehr als ausreichend Säure, um die Süße der reifen Frucht zu kontern. Deutliche Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht befördern die Aromatik. Trockene Welschrieslinge wirken beispielsweise "gezähmter" als in der Südsteiermark. "Wir können Welschriesling so produzieren, sodass es nicht nur ein Saufwein ist", hört man oft, womit man auch solides Bewusstsein für einen regionalen Stil dokumentiert.

Genaue Zahlen zu Slowenien zu bekommen ist nicht ganz einfach. Fasst man mehrere Quellen zusammen und nimmt einen Durchschnitt kommt man auf knapp 25.000 Hektar im Ertrag, die von laut Oxford Weinlexikon rund 40.000 Weinbauern (Klein- und Kleinsttraubenproduzenten für Genossenschaften mitgerechnet) bearbeitet werden, was auf eine sehr kleinteilige Struktur hindeutet. Einig sind sich diese Quellen jedoch darüber, dass es drei große Weinbauregionen gibt: zwei davon, Podravje (übersetzt: Draugebiet) und Podsavje (Savegebiet) in Ostslowenien, beginnend nach der steirisch-slowenischen Grenze, weiter in Richtung Süden entlang der Grenze zu Ungarn und Kroatien. Primorje oder Primorska (Küstenregion) im Westen Sloweniens mit vielen lokalen Rebsorten wie Rebula, Teran oder Refosk, an der italienischen Grenze und auch durchaus an Italien orientiert beginnt etwa auf Höhe der Stadt Görz und zieht sich bis südlich von Triest.

Diese drei Großregionen sind wieder unterteilt in 14 kleinere Weinbaugebiete, von denen im Westen der Kras (Karst) zu den bekanntesten zählt. Im Osten sind es vor allem die Gebiete zwischen Mur und Drau nach der österreichisch-slowenischen Grenze, Maribor (Marburg), Radgona-Kapela (bei Bad Radkersburg) und Ljutomer-Ormoz, zu dem auch Jeruzalem und Kog gehören. Klimatisch gesehen ist der Osten dominiert durch pannonisches Klima mit sehr kalten Wintern und heißen Sommern, im Westen ist der mildernde Einfluss des Meeres vorherrschend.

Die Weinbautradition in Slowenien geht wie so oft in Europa auf die Römer zurück. Auch der in Österreich gern bemühte und weinbaumäßig einflussreiche Kaiser Probus im dritten Jahrhundert nach Christus war im heutigen Slowenien aktiv. Im Mittelalter erlebten West und Ost eine Hochblüte, zu der auch die Präsenz und weinbaulichen Aktivitäten der Kirche beitrugen. Im 19. Jahrhundert, als Ostslowenien die "Untersteiermark" des seinerzeitigen Habsburger-Reiches war, wurde vor allem der Osten weinbautechnisch modernisiert z.B. durch neue Sorten wie Sauvignon Blanc, der zu dieser Zeit ins Gebiet kam.

Für die seinerzeitige "Untersteiermark", die heute in Slowenien liegt und sich auch "Stajerska Slovenija" nennt, machte sich auch Erzherzog Johann 1782 – 1859 stark, indem er beispielsweise eine Steirische Obst und Weinbauschule in Maribor eröffnete. Ein Gutteil des dort produzierten Weines wurde auch nach Norden (z.B. Graz) verkauft. Die Verbindungen zwischen der Steiermark und den Weinbaugebiet im Osten Slowenien bestehen bis heute. Das Lebensgefühl, die Orientierung zur "Steiermark" hin, ist ausgeprägt.

Im Zuge der Denationalisierung in den Jahren nach der Unabhängigkeit Sloweniens 1991 erhielten einige österreichische Familien, die in der früheren "Untersteiermark" Weinhändler waren oder eine Landwirtschaft betrieben, nach teilweise langwierigen Verfahren Flächen zurück (über die im Print-Standard im Zuge der Reihe "Crossover" mehrfach berichtet wurde). Dazu zählen zum Beispiel das Weingut Krainz des Wiener Arztes Peter Weigl oder auch das Benediktinerstift Admont, das sich mit "Dveri Pax" auch international einen sehr guten Namen machen konnte. Die Aufbauarbeit leistete der Erich Krutzler (Perwolff,) aus der Krutzler-Familie im südburgenländischen Deutsch-Schützen, der jedoch 2005 aus persönlichen Gründen ausgestiegen ist. Dveri Pax verfügt über drei Standorte, Jarenina bei Maribor, wo man im Juni 2007 ein neues Kellergebäude eröffnete, dessen Grundmauern ein 300 Jahre alter Stall sind, einigen Rotwein-Flächen bei Radgona und Sipon und Grauburgunder in Jeruzalem.

Jüngstes Projekt ist eine Kooperation zwischen Alois Gross aus dem südsteirischen Ratsch und dem Wiener Wirtschaftsmediator Gerhart Fürst. Fürsts Familie hatte einen Weingroßhandel (mit den dementsprechenden Flächen) in Ptuj (Pettau), der nach dem Krieg verstaatlicht wurde. Aus einem Firmen-Ableger in Graz entstand, nachdem man den Stammsitz bei Kriegsende verlassen musste, ein Weingroßhandel, der in den 1980-ern verkauft wurde. Auch Fürst Familie erhielt landwirtschaftliche Flächen zurück, zu denen auch Weingärten in Jeruzalem gehören. Fürst, der nach seinen Worten "nichts vom Wein versteht, außer dass ich ihn gerne trinke", aber entschlossen war, die Rebflächen wieder "auf hohem Niveau" zu beleben, lernte zufällig Gross kennen, mit dem er eine GesmbH gründete. Darin wurden sowohl Gross’ Flächen bei Gorca im Gebiet Haloze (derzeit neuen Hektar) als auch Fürsts neu ausgepflanzte acht Hektar in Jeruzalem eingebracht. Erste "verkostbare" Ergebnisse aus den beiden Weinlinien soll es im Jahr 2010 geben.

Obwohl "Stajerska" ein starkes Thema bei den Slowenen der Gegend ist (neue Regionsbezeichnungsversuche zu Jugoslawien-Zeiten haben nie gegriffen), werden österreichische Ambitionen nicht ausschließlich freudig begrüßt. Vorbehalte kämen dabei eher von der politischen Seite, wie mehrfach zu hören ist. Die Bevölkerung in der Region sei sehr offen und hilfsbereit, stellt Gerhart Fürst dazu fest: "Aber ich betrachte mich als Gast und versuche mich vorsichtig zu nähern." Dazu gehöre für ihn auch das Erlernen der Landessprache, obwohl viele Englisch oder Deutsch sprächen.

Alois Gross, dem die Flächen bei Gorca zweimal angeboten wurden, bevor er zugriff, ließ sich nach einer Vor-Ort-Besichtigung des Standortes überzeugen. Im "wildromantischen Reiz der Landschaft, den karge Böden und steilen Flächen mit – dennoch - sehr gutem Wasserspeichervermögen" sieht er "ernormes Potenzial für hochwertigste Weine aus Sauvignon Blanc wie auch aus Burgundersorten". In den grenznahen Gebieten bei Maribor kommen zu den Traditionsrebsorten wie Sauvignon Blanc, Welschriesling und Chardonnay auch Spezialitäte wie Traminer, Gewürztraminer, der am Weingut Steyer in Plitvica im Mittelpunkt steht, oder Riesling dazu, der sich auf den Schiefer-Böden bei Maribor sehr gut macht. Versuche mit Pinot Noir (Dveri Pax) sind viel versprechend. Wichtigste Rebsorte in der Region um Jeruzalem ist jedoch Sipon, bekannter als Furmint. Es ist spätreifend, anfällig für Botryitis (Edelfäule), dafür mit kräftiger Säure ausgestattet. Weine aus Sipon sind dezent-fruchtig, erinnern an reife saftige Birnen, haben aber mehr Rückgrat und eine Struktur, die sie über das "frisch-fruchtig-leichte" deutlich hinaushebt. Furmint ist die wichtigste Rebsorte im ungarischen Süßwein-Klassiker Tokajer und erlebt auch in Rust als trockener Weißwein ein Revival. Der slowenische Name Sipon kommt, so erzählt man sich, eigentlich aus dem Französischen: Die Soldaten Napoleons hätten, als sie hier auf dem Durchmarsch waren, auch den Wein der Gegend probiert und für sehr gut befunden: Aus dem "C’est si bon" wurde im Laufe der Zeit "Sipon".

In Slowenien, wo er lange Zeit als Massenträger missbraucht wurde, werden seine eleganten Eigenschaften erst heute wieder geschätzt. Um ihn in Jeruzalem-Kog vor dem Verschwinden zu bewahren, gründete man vor sieben Jahren den "Club Sipon". Ziel ist Sipon als trockenen, leichten, frischen Trinkwein mit Substanz zu pushen, wofür der Club für seine Mitglieder auch Qualitätskriterien definiert hat: Neben technischen Anforderungen wie Maximalertrag pro Stock (1,5 kg) oder Mindestgradation (90 °Oechsle, was etwa 18 ° der in Österreich gebräuchlichen KMW sind, was einer guten Kabinett-Qualität entspricht), müssen die Trauben gesund sein (keine Edelfäule) und trocken ausgebaut werden, um das Label des Clubs am Etikett zu erhalten.

In Slowenien generell bevorzugte man bis vor kurzem Sortenweine und leichte bis spürbare Restsüße, was sich aber langsam ändert. Doch der Trend geht zu trocken respektive, wenn schon süß, dann ordentlich: sprich Trockenbeerenauslese. Und auch Cuvées werden nicht mehr misstrauisch (Panscherei!!) beäugt. Auch in Ostslowenien setzen sich diese Trends durch. Neu ist auch, dass einzelne Winzer vor allem im Gebiet um Jeruzalem mit roten Sorten wie Pinot Noir, Cabernet Sauvignon und Merlot experimentieren, wie sie bis vor 60 Jahren in der Region durchaus zu finden waren.

Trotz der augenfälligen landschaftlichen Ähnlichkeiten mit der Südsteiermark, wäre es zu simpel, die Gegend hier aber einfach als die Fortsetzung der Steiermark abzutun und vielleicht auch noch billigste Preise einzufordern. Die Technologie ist State of the Art, das Bewusstsein, das die Qualität durch Weingartenarbeit und nicht durch technische Mätzchen im Keller entsteht ist stark ausgeprägt, die Qualität der Weine sehr hoch. In der Region um Jeruzalem hat man in den vergangenen fünf Jahren auch sehr viel Geld in den Ausbau der Tourismus-Infrastruktur investiert, was noch weiter intensiviert werden soll, da die Nachfrage das Angebot noch immer übersteigt. Und bloß keine Berührungsängste vor Slowenisch: Abgesehen davon, dass man immer jemanden findet, der Deutsch oder Englisch spricht, serviert man auch in Jeruzalem köstliches und wohlbekanntes "kibelflajs" unterm "klopotec", der im Weingarten zum Vertreiben der Vögel eingesetzt wird, und öffnet dazu die Flasche mit einem "stopelciger". (Luzia Schrampf)