Stefan Hopmann: "Bildungs-Rankings sind unmöglich."

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Standard: Unterrichtsministerin Claudia Schmied hat in der Gesamtschuldebatte gesagt, die Pisa-Studie werde wohl "weiteren Handlungsbedarf signalisieren". Hat die Ministerin etwas falsch verstanden?

Hopmann: Das kann ich nicht beurteilen. Ich denke aber, dass sich Pisa nicht eignet, um über Handlungsbedarf bei der Schulreform zu entscheiden.

Standard: Was ist Ihr schwerster Vorwurf an die Pisa-Studie?

Hopmann: Es gibt zwei Sachen, die man auseinanderhalten muss. Erstens: Eignet sich Pisa, um den Zustand von Bildungssystemen zu beschreiben? Diese Frage wird Pisa auch am 4. Dezember nicht positiv beantworten können. Das Zweite ist die technische Durchführung: Die bisherigen Studien hatten methodisch so viele Probleme, dass man auf großartige Vergleiche hätte verzichten sollen.

Standard: Gerade die Vergleiche haben Pisa ja bekanntgemacht ...

Hopmann:  Bildungsforscher aus mehreren Ländern stimmen überein, dass Pisa nicht dabei hilft, Bildungssysteme zu beschreiben. Was man da vergleicht, ist nicht Bildung, sondern nur die Fähigkeit, Pisa-Fragen zu beantworten.

Standard: Finnland als dreifacher "Sieger" gilt vielen als Musterland. Sie wenden zum Beispiel ein, dort gebe es hohe Jugendarbeitslosigkeit.

Hopmann: Finnland hat sicherlich ein gutes Schulsystem. Man kann aufgrund von Pisa aber gar nicht beurteilen, welches Schulsystem besser ist und dieses dann exportieren wie ein Stück Wurst. Was in dem einen Land funktioniert, kann in einem anderen katastrophal wirken.

Standard: Die Machart von Pisa kommt demnach finnischen Schülern entgegen. Bei entsprechenden Fragen wäre Österreich vorne?

Hopmann: Vielleicht nicht auf dem ersten, aber sicherlich auf einem vorderen Platz. Man könnte ohne Schwierigkeit einen Test konstruieren, bei dem Österreich sehr viel besser aussieht.

Standard: Was Pisa alles nicht kann, beschreiben Sie ausführlich. Was kann es denn?

Hopmann: An Pisa ist interessant, dass man es überhaupt machen kann. Es gibt sichtlich Fragen, die Schüler in fast der ganzen westlichen Welt verstehen können. Die OECD kann ein bestimmtes Wissen, das sie wichtig findet, in den Mitgliedsländern testen. Das Problem tritt auf, sobald ich Pisa als Maßstab für die Qualität von Schulen verwende.

Standard: In Ihrem Buch vergleichen Sie Pisa mit Contergan. Ein passender Vergleich?

Hopmann: Der kommt daher, dass der Contergan-Fall in der Forschung als klassisches Beispiel dient, wie "Großunternehmen" - etwa auch Pisa - auf Kritiker reagieren. Die österreichische Diskussion ist leider genauso verlaufen, wie man es aus der Forschung erwarten konnte.

Standard: Heißt das, Kritiker werden abgespeist?

Hopmann: Ja. Ich ärgere mich, dass Pisa eine korrekte wissenschaftliche Diskussion systematisch verweigert. Ich habe zahlreiche Pisa-Konsortien in Europa angeschrieben. Es ist mir nicht gelungen, eine einzige Widerlegung aufzutreiben, die wissenschaftlich belegt und nachprüfbar ist. (Lukas Kapeller/DER STANDARD Printausgabe, 4. Dezember 2007)

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