Abéché/Nairobi – Die Lage im Osten des Tschad kippt immer mehr in Richtung eines Bürgerkriegs. Nach den „Vereinten Kräfte für Demokratie und Entwicklung“ (UFDD) kämpfen seit dem Wochenende weitere Rebellengruppen gegen die tschadische Armee. Der Sprecher der „Vereinten Kräfte für den Wandel“ (RFC), Id Moura Maïde, erklärte am Montag, die tschadische Luftwaffe habe am Samstag ihre Stellungen im fernen Nordosten des Landes nahe der libyschen Grenze bombardiert. Daraufhin seien schwere Kämpfe ausgebrochen. 200 Kampfwagen der RFC sollen derzeit im Osten des Landes unterwegs sein. Die RFC hatte als erste Rebellengruppe einen Waffenstillstand annulliert, der erst Ende Oktober in Libyen ausgehandelt worden war.

Sprecher beider Rebellengruppen kündigten am Montag an, ihre Angriffe gegen die Regierung miteinander abzustimmen. „Wir koordinieren uns, aber jeder kämpft für sich“, so Maïde. Die Zusammenarbeit der Rebellen ist erstaunlich, weil ihre Interessen gegensätzlich sind: Die RFC gilt als Bewegung enttäuschter Zaghawa, einer großen Volksgruppe, der auch Präsident Idriss Déby angehört.

Erstaunliches Bündnis

Die UFDD hingegen, die sich aus ethnischen Tubu rekrutiert, kämpft gegen die Vorherrschaft der Zaghawa in Politik und Militär. Als dritte Kraft kam am Montag die „Vereinte Front für den Wandel“ (FUC) von Mahammat Nour ins Spiel: Nour, der seine Hochburg in der größten ost-tschadischen Stadt Abéché hat, war am Samstag von Déby aus seinem Amt als Verteidigungsminister entlassen worden. Schon vor Monaten hatte Nour seine Armee aus ethnischen Tama kampfbereit gemacht, unter den Augen der Vorausmission der Europäischen Union. Nour, der nach seiner Entlassung in die libysche Botschaft floh, hat angeblich bereits das Kommando zum Angriff gegeben.

„Es gibt ein Bündnisabkommen zwischen der FUC und uns. Sobald die FUC-Kämpfer bereit sind, werden wir gemeinsam Stellungen der Regierung angreifen“, erklärte UFDD-Generalsekretär Abakar Tollimi. Mindestens 40 Pick-up-Trucks, „bis obenhin voll gepackt mit FUC-Kämpfern“, würden in den kommenden Tagen zu den UFDD-Truppen stoßen.

Schlechte Nachricht

Für die EU-Truppe unter österreichischer Beteiligung, deren 3700 Soldaten in den kommenden Wochen im Tschad stationiert werden sollen, um Flüchtlinge aus Darfur zu schützen, ist die Allianz aus den Rebellengruppen gleich mehrfach eine schlechte Nachricht. Die starke Position der Rebellen erhöht zum einen die Wahrscheinlichkeit langanhaltender Kämpfe. Zum anderen dürften RFC und FUC sich der Position der UFDD anschließen, auch die Verbündeten des seit 17 Jahren autoritär regierenden tschadischen Präsidenten Déby als ihre Feinde zu betrachten. Frankreichs Armee führt mit ihren in der Hauptstadt N’Djamena stationierten Mirage-Jets schon seit Monaten Aufklärungsflüge nahe der Grenze zum Sudan durch. Schon mehrfach waren die Rebellen wegen der Ergebnisse dieser Luftbeobachtung von tschadischen Truppen zurückgeschlagen worden. (Marc Engelhardt, DER STANDARD, Printausgabe 4.12.2007)