Am 11. November sah man den rüstigen Aktivisten zum letzten Mal lebend, als er von seinem Haus aufbrach, um das am Ortsrand von Jutaí gelegene Gemeindefeld zu besichtigen. Ein Augenzeuge berichtet, dass er den 73-jährigen João Batista Ferreira noch auf einem Dschungelpfad sah, der vom Feld zu einem im Wald gelegenen Bach führte.

Zwar scheint es durchaus möglich, dass João hier vom Weg abkam und sich im Dschungel verirrte, die Staatsanwaltschaft, die Polizei sowie fast die gesamte Gemeinde von Jutaí sahen es bei einem Lokalaugenschein jedoch als wahrscheinlicher an, dass der über die Region hinaus bekannte Umweltschützer und Gewerkschaftsführer ermordet und sein Leichnam in die Fluten des reißenden Amazonas geworfen wurde.

Seit Jahrzehnten kämpfte der ursprünglich aus Brasiliens Nordosten stammende João Batista um die Rechte der „Rechtlosen“ und setzte sich für eine nachhaltige und umweltschonende Entwicklung der Stadt Jutaí und des Umlandes ein. Er war maßgeblich an der Erschaffung des Sammelreservats „Resex Jutaí“ beteiligt, welches der dort lebenden Bevölkerung Land- und Nutzungsrechte garantiert und zugleich die Erhaltung des Regenwaldes sichert. Holzfällern und Rinderbaronen wurde der Zugang zu dem Gebiet verwehrt, worauf diese mit Zorn und Hass reagierten.

João war auch über viele Jahre hinaus Präsident der lokalen Kooperative der Kleinproduzenten. Erst unlängst hatte er die Gaunereien des Präfekten von Jutaí angezeigt und diese sogar im Bundessenat der brasilianischen Bundeshauptstadt Brasília bekanntgemacht. Jetzt steht der Präfekt vor einem Amtsenthebungsverfahren.

Tödliche Rache

Tödliche Rache für solche Schmach wäre in Amazonien nichts Ungewöhnliches – so wie Auftragsmorde an Personen, die den Interessen der Mächtigen im Wege stehen, überhaupt. Zu Weihnachten 1988 wurde der Gewerkschaftsführer Chico Mendes in seiner Hütte erschossen und so zum ersten „Öko-Märtyrer“. Seither erging es rund 1800 Menschen in Brasilien nicht anders, nur waren sie nicht prominent genug, dass ihr gewaltsamer Tod öffentlich wahrgenommen wurde.

Weltweite Empörung rief hingegen 2005 der Fall der 73-jährigen katholischen Entwicklungshelferin und Nonne Dorothy Stang hervor. Auch sie wurde wegen ihres Einsatzes für Kleinbauernrechte und den Erhalt des Regenwaldes im Auftrag eines Großgrundbesitzers ermordet.

Für João Batistas Verschwinden könnte aber ebenso eine Mafia aus brasilianisch-kolumbianisch-peruanischen Fischern verantwortlich sein. Mehrmals hatte der Ökoaktivist mit der brasilianischen Umweltbehörde Ibama den Zierfischjägern das Handwerk gelegt, als diese in der Reserve illegal Aruanã-Fische fingen, um sie nach Kolumbien zu schmuggeln.

Auch mit dem „Nationalen Kautschukzapfer-Rat“ CNS war João eng verbunden. Diese gewerkschaftliche Organisation war in den 1980er-Jahren von dem später ermordeten Chico Mendes gegründeten worden, um Kautschukzapfern den Kampf gegen Waldrodungen der Rinderbauern zu erleichtern. Auf Mendes und den CNS geht die Idee des „Sammelreservats“ Resex zurück, das sowohl den Wald als auch die darin lebende Bevölkerung schützt.

Neue Feinde

„Immer häufiger sehen wir, wie Gewalt angewendet wird, um unsere Arbeit zu behindern“, sagt Manoel Cunha. Er koordiniert für den CNS ein mit österreichischen Entwicklungshilfegeldern von der Umweltschutzorganisation Global 2000 finanziertes Projekt. Seit fünf Jahren erhält der CNS des Bundesstaates Amazonas Infrastrukturgelder. „Mit der Unterstützung aus Österreich konnten wir effektiver werden – aber das brachte uns neue Feinde ein“, sagt Cunha. Er ist überzeugt davon, „dass João seinen Einsatz für Menschen und Natur mit dem Leben bezahlen musste“. (Thomas Schweiger aus Manaus/DER STANDARD, Printausgabe, 3.12.2007)