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Posieren als „Freunde“ (v. re.): Sarkozy, algerisches Mädchen, Bouteflika, Außenminister Kouchner nach der Ankunft in Algier.

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Zwischen Frankreich und Algerien bleiben die Beziehungen gespannt: Antisemitismus- und Kolonialismus-Vorwürfe überschatten den Besuch von Staatspräsident Nicolas Sarkozy in Algier.

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Algier/Paris – Hat Nicolas Sarkozy seine Wahl zum französischen Staatschef einer „jüdischen Lobby“ zu verdanken, die in Frankreich „das Monopol der Industrie“ hat und auch dafür sorgte, dass Israel eine Briefmarke zu Ehren Sarkozys herausgab? Solche Dinge sagte vergangene Woche nicht irgendjemand, sondern ein hochrangiges algerisches Regierungsmitglied namens Mohammed Cherif Abbas. Der Minister der Kriegsveteranen ist zudem eine zentrale Figur beim Umgang mit dem Erbe des algerischen Unabhängigkeitskriegs gegen Frankreich von 1958 bis 1962.

Die Wortmeldung brachte den seit Monaten vorbereiteten Besuch Sarkozys fast zum Scheitern. Das Außenministerium in Paris lud den algerischen Botschafter umgehend vor und beklagte sich über die „völlig inakzeptable“ Äußerung. Der algerische Präsident Abdelaziz Bouteflika telefonierte darauf mit Sarkozy und distanzierte sich von Cherif Abbas, weigerte sich aber, ihn zu entlassen.

Wenn der französische Präsident am Montag trotzdem in Algier eintraf, dann vor allem wegen der Wirtschaftsabkommen im Umfang von 3,4 Milliarden Euro. Sarkozy und Bouteflika umarmten sich „als Freunde“, während der Veteranen-Minister durch Abwesenheit glänzte.

In seiner ersten Rede kam Sarkozy – Sohn eines ungarischen Immigranten und einer aus Griechenland stammenden Mutter – auch gleich auf den Rassismus zu sprechen und meinte, es gebe nichts ähnlicheres als Antisemiten und Islamhasser. „Wenn man einen Araber, einen Muslim oder einen Juden in Frankreich bedroht, bedroht man die Republik. Und was für Frankreich gilt, gilt überall in der Welt.“

Von algerischer Seite hatte man sich allerdings noch etwas anderes erhofft: „Die Algerier erwarten in ihrer übergroßen Mehrheit eine Geste und Worte, welche die Verbrechen der Kolonialarmee anerkennen und zugeben“, schrieb etwa die in Algier erscheinende Zeitung El Watan im Vorfeld des Besuchs. Sarkozy räumte in der gleichen Rede ein, das französische Kolonialsystem sei „äußerst ungerecht“ gewesen. Aber, so fügte er an, man müsse der Gerechtigkeit halber auch sagen, dass viele französische Kolonisten „Algerien geliebt“ hätten, bevor sie das Land hätten verlassen müssen. Jedes Wort auf die Waagschale legend, gestand Frankreichs Staatschef auch zu, dass während des Algerienkrieges „schreckliche Verbrechen“ begangen worden seien, die „auf beiden Seiten unzählige Opfer“ mit sich gebracht hätten.

Wer diese Verbrechen begangen habe, sagte Sarkozy aber nicht. Auch leistete er keine offizielle Entschuldigung, wie das der algerische Premierminister Abdelaziz Belkhadem unlängst gefordert hatte. Die algerische Zeitung La Tribune wies den französischen Gast zurecht: „Wer an das Gedenken appelliert, muss schon klar unterscheiden, denn die Verletzungen des Angegriffenen sind nicht vergleichbar mit denen des Aggressors.“

Auch Sarkozys Abstecher in das Arbeiterviertel Bab-el-Oued in Algier zeigte den „gleichgültigen“, ja „kühlen“ Empfang der Bevölkerung, wie französische Journalisten im Begleittross am Dienstag registrierten. Am gleichen Ort war Sarkozys Vorgänger Jacques Chirac kurz vor dem Irakkrieg von Zehntausenden triumphal gefeiert worden. (brä/DER STANDARD, Printausgabe, 5.12.2007)