Fritz Rosenfeld, 1902 "am Krampus-Tag" in Wien geboren, ist seit 1923 Kulturredakteur der "Arbeiter-Zeitung". Eine regelmäßige Filmkritik gibt es zunächst nicht. Allerdings nimmt der neue Mitarbeiter, damals noch als Student der Modernen Sprachwissenschaften an der Uni Wien eingeschrieben, seine Tätigkeit zu einem Zeitpunkt auf, an dem sich das Medium so weit etabliert und eine so große Verbreitung gefunden hat, dass auch fortschrittliche Kräfte für eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Kino plädieren. (Immerhin gibt es in Wien Anfang der 20er-Jahre rund 170 Lichtspielhäuser.)
"Die Welt des Films" heißt Rosenfelds bald eingerichtete Rubrik. Jahre, bevor sein deutscher Kollege Siegfried Kracauer das berühmte Diktum von der "Aufgabe des Filmkritikers" formuliert, auch ein Gesellschaftskritiker zu sein, arbeitet Rosenfeld bereits in diesem Sinne: Die Welt des Films ist kein abgeschottetes Universum, nicht frei von ökonomischen Zwängen, ideologischem Zugriff - und andererseits voller Potenziale, die es etwa auch im Interesse der Arbeiterschaft zu nutzen gilt.
Gegen "Kinogreißler"
Rosenfeld schreibt also über Filme, aber auch über Kinokultur, gegen die "Kinogreißler", für die Avantgarde (die "Filmkunst ohne Filmkapital") oder "Für und wider das Happy end". Er schätzt René Clair, Charlie Chaplin oder den russischen Film der 20er-Jahre. Er geht ins "Vorstadtkino" ("Rufe schwirren durch die Luft. Zuckerln sausen, als Wurfgeschosse, über die Köpfe hin; hat der Absender schlecht gezielt, erhascht ein anderer das Geschoß – macht es auch nichts. Es ist ja auch ein Bekannter."). Er muss sich wie seine Kollegen mit dem Tonfilm auseinandersetzen. Und er besteht stets auf der Verpflichtung gegenüber den Lesern und der Unabhängigkeit der Kritiker von der "Inseratenabteilung". "Fritz Rosenfeld, Filmkritiker" heißt schlicht die jüngst erschienene, erste, thematisch gegliederte Sammlung von solchen Texten zu Film und Kino, die zwischen 1923 und 1980 entstanden sind. Ausgewählt, mit sachdienlichen Hinweisen und einer ausführlichen Darstellung von Rosenfelds Biografie und dem jeweiligen Umfeld seiner Tätigkeit versehen von den Wiener Filmwissenschaftern Brigitte Mayr und Michael Omasta, die sich schon mit früheren Publikationen der zwangsexilierten Filmschaffenden Österreichs angenommen haben.
Emigration 1934