Bild nicht mehr verfügbar.

Peter Schöttel sitzt derzeit beim Wiener Sportklub auf der Bank.

Foto:APA/Techt
Peter Schöttel hat nach seinem Abgang bei Rapid als Trainer des Wiener Sportklubs angeheuert. Der Ex-Teamspieler zieht Bilanz über die Herbstsaison beim Regionalligisten und nimmt Stellung zur Situation im heimischen Fußball. Alexander Aigner sprach mit dem zweifachen WM-Teilnehmer.

***

derStandard.at: Sie haben mit dem Wiener Sportklub am Ende der Herbstsaison eine beachtliche Sieges-Serie hingelegt. Warum war der Sportklub in den letzten Spielen so stark?

Peter Schöttel: Ich glaube man müsste die Frage anders stellen. Warum waren wir am Anfang so erfolglos? Wir haben einige Zeit gebraucht, bis wir im Sommer zwei Hauptprobleme in den Griff bekommen haben. Einerseits hat die komplette Offensivabteilung den Verein verlassen, sprich alle vier Stürmer, und anderseits haben wir große Probleme gehabt die Nachwuchsspielerregelung zu erfüllen. (Anm. d. Red: Vier Spieler des Jahrgangs 1986 auf dem Spielbericht, einer muss beginnen). Dass wir uns nach vorne schwer getan haben, und dass ich bei den Jungen probieren musste, hat uns die ersten Runden begleitet.

derStandard.at: Wann konnten Sie diese Probleme lösen?

Schöttel: Das hat sich erst mit dem FAC-Match geändert, wo Raphael Rathfuss, Jahrgang 86, nach einer einjährigen Verletzung ins kalte Wasser geschmissen wurde und geschwommen ist. Er hat dann immer gespielt und dadurch hat auch Seoane im Sturm seinen fixen Platz bekommen. Zu Beginn der Meisterschaft mussten wir auf Grund der Altersbeschränkung improvisieren, es haben Yurt und auch Englisch gespielt und so hat sich das nie richtig einspielen können.

derStandard.at: Sie haben zu diesem Zeitpunkt auch im Mittelfeld Veränderungen vorgenommen, Alfred Niefergall zum Stürmer umfunktioniert, wie es dazu gekommen?

Schöttel: Jürgen Leitner musste nach einer achtmonatigen Verletzungspause, irgendwann wieder beginnen. Und dass diese Mannschaft einen guten Jürgen Leitner braucht, das hat man zuletzt gesehen. Er ist sehr, sehr wichtig für die Mannschaft. Für mich war klar in der Planung, wenn Leitner und Dorta fit sind, sind das meine zwei zentralen Mittelfeldspieler. Das war auch der Grund, warum ein sehr verdienstvoller, guter Spieler wie Peter Neidhart den Verein verlassen hat. Ich habe ihm im Sommer gesagt, du bist bei mir von Haus aus nicht in der Mannschaft und es wird schwer für dich.

derStandard.at: Und Alfred Niefergall?

Schöttel: Dem Fredl habe ich das gleiche gesagt, wobei ich ihn schon einige Jahre kenne und ich mit seiner Art im Mittelfeld zu spielen, nicht richtig warm geworden bin. Er hat aber gemeint, dass er sich durchbeißen will. Und der Fredl hat mir bewiesen, wenn er so spielt wie er jetzt spielt, dass er unbedingt einen Platz in der Mannschaft hat. Und das ist jetzt im Sturm. Aus meiner Sicht ist er dort besser aufgehoben. Dieser Mensch hat soviel Energie in sich, ist so laufstark, durch seine körperlichen Vorzüge so wichtig, torgefährlich, aber er tut sich schwer seine zugeordneten Positionen nicht zu verlassen. Nach der Verletzung von Schandl, war es ein absolutes Glück, dass das mit dem Fredl und Seoane so gut funktioniert hat. Die Zwei haben großen Anteil daran, dass es besser geworden ist.

derStandard.at: Warum hat es bei Seoane so lange gedauert bis er in Schwung gekommen ist?

Schöttel: Seoane ist zu Beginn der Meisterschaft auf Grund der Nachwuchsspieler-Regelung immer nur eine Halbzeit reingekommen. Die ersten Chancen hat er vergeben, die Leute waren unzufrieden mit ihm und er hat zu grübeln begonnen. Das Spiel gegen die Mattersburg-Amateure, bei dem Diego drei Tore geschossen hat, hat den Umschwung gebracht. Seit damals ist er auch in seiner ganzen Art viel fröhlicher und hier einfach angekommen. Auch von der Art her, ein absoluter Gewinn für die Mannschaft.

derStandard.at: Ihr Resümee zum Herbst?

Schöttel: Ich möchte nicht sagen, das wir ganz zu Beginn schlecht gespielt haben. Die Niederlage gegen Würmla hat uns aber zerstört. Damals war das eine riesige Blamage, es war ja noch nicht absehbar, dass die so viele Punkte machen werden. Dann haben wir wirkliche schlechte Spiele gehabt. Zwettl war noch halbwegs ok, nur dann mit dem 1:1 gegen Baumgarten und dem 2:0-Sieg gegen Schwechat zwei ganz miserable Heimspiele abgeliefert. Aus den besprochenen Gründen, hat es sich nach fünf, sechs Runden wieder gedreht. Ein weiterer Grund ist natürlich die stabile Defensivleistung. Nämlich der Tormann und die Abwehrspieler, die für diese Liga über eine hohe Qualität verfügen.

derStandard.at: Wie würden sie ihr Team in der Liga einordnen?

Schöttel: Wir haben sicher eine der besten Mannschaften. Aber es ist noch immer Potenzial drin. Wir haben eigentlich sehr selten unser ganzes Mittelfeld in guter Form gehabt. Was mich besonders freut ist, dass die Stimmung einfach super ist. Sie war auch gut, als es schlecht gelaufen ist. Die Mannschaft hat sich zu diesem Zeitpunkt nicht selbst zerfleischt, sondern gesagt, jetzt zeigen wir es allen, wir sind viel besser. Die Spieler haben immer gut trainiert und haben sich nie hängen lassen und das ist jetzt belohnt worden. Schade ist halt, dass wir schon soweit weg sind von den oberen.

derStandard.at: Acht Punkte Rückstand auf den FAC, sechs auf St. Pölten. Ist das noch zu packen?

Schöttel: Das ist vermutlich zuviel. Es ist für mich ungewöhnlich, das der FAC und St. Pölten so viele Punkte haben, weil die Liga eigentlich sehr ausgeglichen ist. 38 Punkte von 45 möglichen ist enorm. Bei so vielen starken Teams, wo jeder jeden schlagen kann, kann man den beiden nur gratulieren, dass sie so viele Punkte gemacht haben. Wir müssten jetzt schon das ganze Frühjahr hindurch gewinnen und trotzdem noch auf Umfaller der anderen hoffen.

derStandard.at: Was sind ihre konkreten Ziele mit dem Wiener Sportklub?

Schöttel: Den Verein als ganzes einen Schritt vorwärts bringen und die Mannschaft weiterzuentwickeln. Aufstieg in die Red Zac ist so eine Sache, natürlich wäre ich gern Erster. Man muss aber auch überlegen, ob es der richtige Zeitpunkt für den Verein ist, ob er überhaupt in seiner ganzen Struktur vorbereitet ist. Denn wenn der Sportklub aufsteigen sollte, dann sollte das auch etwas Bleibendes sein. Es ist in den letzten Jahren im Nachwuchs sehr viel geschehen, es werden mittlerweile gute Spieler entwickelt, dass muss die Zukunft des Sportklubs sein. So etwas wie im Frühjahr, dass wir zwei Monate vor der Meisterschaft ohne brauchbare Eigenbauspieler dastehen und dann wild herumsuchen müssen um an dem Bewerb überhaupt teilnehmen zu können, darf nicht mehr passieren.

derStandard.at: Sie gelten als ruhiger besonner Typ, es wurden Ihnen in ihrer Karriere auch immer wieder Lethargie unterstellt. Beeinflusst Sie das in ihrem Auftreten als Trainer auf dem Platz?

Schöttel: Nein, ich halte nichts von einer Show. Das sind Klischees, das hat mich nie interessiert. Mich hat immer sehr amüsiert, wenn alle erzählt haben, als Spieler war er schon so ruhig. Es hat aber keinen gegeben, der mehr geredet hat als ich. Aber die Leute haben halt ihre Schublade gehabt. Ich bin jetzt eigentlich permanent an der Linie. Zu Beginn war ich es weniger, hab aber nach ein paar Runden bemerkt, dass einige Spieler doch öfter Anweisungen brauchen.

derStandard.at: Wie stehen sie zu den Fan-Aktivitäten beim Sportklub?

Schöttel: Für mich eine ganz andere Art der Fankultur als ich sie von Rapid gekannt habe. Es ist sehr interessant, dass sich alle freuen, wenn der Sportklub mit seinen Fans bei Auswärtsspielen auftaucht. Sie sind sehr beliebt, haben ein gutes Image in der Liga, und sind in jeder Art nicht so aggressiv wie die Rapid oder Austria-Fans. Für mich ist das eine neue Erfahrung und mir gefällt sehr gut, dass sich diese Art der Fankultur hier entwickelt hat.

derStandard.at: Wo wird der Sportklub am Ende der Saison stehen?

Schöttel: Wir müssen schauen, Dritter zu bleiben. Hinter uns sind gute Mannschaften, die knapp dran sind. Ich glaube aber, wenn es so weiter läuft, können wir das schaffen. Wenn die Spitzenteams patzen können wir auch noch weiter oben stehen, aber da können wir selbst sehr wenig dazu tun.

derStandard.at: Wie sieht ihre generelle Fußballphilosophie aus?

Schöttel: Ich möchte schon attraktiven Fußball sehen, glaube aber, dass der nur aus einer gewissen Ordnung entstehen kann. Fußball sollte unterhaltsam sein, speziell beim Sportklub, da sehr viele Leute an dem Verein hängen und ihn unterstützen. Um aber eine erfolgreiche Mannschaft zu haben, brauchst du einmal eine gute Defensive. In Wahrheit stören mich diese 1:0-Siege sehr, weil sie so minimalistisch aussehen. Wenn ich aber die Spiele gegen die Rapid Amateure, Admira oder die Vienna hernehme, zeigt das Resultat gar nicht den Leistungsunterschied an diesem Tag auf.

derStandard.at: Sie haben zuvor bei Rapid als Sportdirektor gearbeitet und sind nun ins Trainerfach gewechselt. Ist die in Österreich verbreitete Kombination Sportdirektor/Trainer sinnvoll?

Schöttel: In der Bundesliga ist es durchaus sinnvoll, vor allem wenn eine Nachwuchsabteilung existiert, bei der viel zu koordinieren ist. In der Regionalliga ist es absoluter Luxus einen Sportdirektor zu haben. Darum wollte ich beim Sportklub für alles verantwortlich sein, auch wenn man natürlich Leute braucht, die einen administrativ unterstützen.

derStandard.at: Was halten Sie davon, dass ehemalige Bundesliga-Spieler nur einen Bruchteil der Trainerausbildung absolvieren müssen?

Schöttel: Darüber kann man natürlich diskutieren. Einerseits ist es gut, wenn man Menschen, die im Fußball sehr viel gesehen und erlebt haben, gewisse Ausbildungsstufen einfach erspart. Anderseits sollte keiner auf die Praxis verzichten. Ich profitiere enorm von der Zeit bei den Rapid-Amateuren und ich merke auch jetzt im täglichen Ablauf, dass ich besser werde. Ich kann nur jedem empfehlen, auch wenn man einen großen Namen hat, in dieser Liga oder im Nachwuchs zu arbeiten.

derStandard.at: Wo liegen ihrer Meinung nach im österreichischen Fußball die größten Defizite, die uns international in letzter Zeit so schlecht aussehen haben lassen?

Schöttel: Erstens haben wir in den letzten Jahren den Übergang vom Nachwuchs- zum Erwachsenen-Fußball komplett verschlafen. Zweitens wird immer noch zu wenig auf die Ausbildung des Einzelnen eingegangen. In den letzten Jahren ist es in die richtige Richtung gegangen, man ist nämlich drauf gekommen, dass die Spieler das Entscheidende sind und nicht die Erfolge einer Nachwuchsmannschaft. Schlussendlich wird es aber immer von den handelnden Personen abhängen. Ein Trainer muss sich trauen den Jungen ins kalte Wasser zu werfen. Bei den Vereinen die notgedrungen auf den eigenen Nachwuchs setzen mussten, hat es ja funktioniert.

derStandard.at: Österreichische Mannschaften können oft nur 20 Minuten das Tempo guter internationaler Teams mitgehen und fallen dann in ihrer Leistung ab. Woran liegt das?

Schöttel: Weil wir leider Gottes in den 20 Minuten 15 dem Ball nachlaufen. Und das ist natürlich ungleich ermüdender, als wenn du ihn selber hast. Das liegt an der Ausbildung der Spieler. Es geht dabei um einfachste Sachen, wie den Ball so schnell wie möglich unter Kontrolle zu haben und weiter zu spielen. Es geht drum, das ganze in höchst möglichem Tempo zu schaffen. Wenn ich den Ball bekomme, Brust, Fuß, Kontrolle und dann schau ich erst auf, da ist es schon vorbei. Wenn ich aber den Ball in einem Kontakt, einer runden Bewegung mitnehme und schon weiß, was ich damit mache, dann sind wir dort, wo sie im Ausland schon sind.

derStandard.at: Wie beurteilen sie die Entwicklung des Nationalteams?

Schöttel: Es ist eine schwierige Geschichte, wenn du nur Freundschafts-Spiele bestreitest. Man muss probieren und soll trotzdem Ergebnisse bringen. Ich glaube, dass die Nationalmannschaft - wenn alle dabei sind - in der Lage sein wird, jedem Gegner Probleme zu bereiten. Das Österreich nicht den schönsten und attraktivsten Fußball spielen wird, ist glaube ich eh jedem klar. Wir werden auf alle Fälle sehr schwierig zu schlagen sein und wir haben eine große Waffe, das sind Standardsituationen. Man muss jetzt einmal schauen, wen wir zugelost bekommen und wenn das nicht die absolute Hammergruppe ist, wo drei Weltmeister drinnen sind, dann glaube ich, dass wir eine Chance haben. Dass die Meisterschaft früher endet und die Nationalmannschaft mehr Vorbereitungszeit haben wird als die anderen Teams, darf man auch nicht unterschätzen. Wenn unsere Spieler körperlich fit und wir frischer sind, werden wir unsere Möglichkeiten haben.

derStandard.at: Sollten wir vorne nicht mit mehr als einem Stürmer antreten?

Schöttel: Arsenal spielt mit einem Stürmer und spielt den schönsten Fußball auf der Welt. Das möchte ich mir jeden Tag drei Mal anschauen.

derStandard.at: Wie weit wird es Österreich bei der Euro schaffen?

Schöttel: Wenn es die Auslosung halbwegs möglich macht, traue ich Österreich zu die Vorrunde zu überstehen und dann sind es nicht mehr viele Spiele bis am Schluss. Wenn die Euro im Meisterschaftsmodus ausgetragen würde, hätten wir sicher wenig Chancen, aber in einzelnen Spielen kann man immer überraschen.