Jetzt ist es also doch passiert. Tatsächlich, am Montag hat ein ehemaliger Bawag-Vorstandschef gestanden. Tatsächlich, der in der Wolle gefärbte Sozialdemokrat Johann Zwettler aus Wien-Floridsdorf, der sich ab 1966 in der Arbeiter- und Gewerkschaftsbank Sprosse für Sprosse hinaufgearbeitet hat, bis er 2003 Nachfolger von Helmut Elsner und Ende 2005 nach dem Refco-Blitzkredit blitzartig in Pension geschickt wurde, übernimmt Verantwortung. Für den größten Bankenskandal der Zweiten Republik, in dessen Rahmen laut Anklageschrift 1,44 Milliarden Euro versenkt wurden.

Konkret hat sich der wegen Untreue und Bilanzfälschung angeklagte Zwettler mit brüchiger Stimme ungefähr für 500 Millionen Euro des Bawag-Debakels für schuldig erklärt. Verantwortung für die restlichen Investments will er nicht übernehmen, mit der Begründung, bis zum ersten Totalverlust im Oktober 1998 habe man ja noch auf Flöttls Fähigkeiten vertrauen können, und bei den letzten Investments 1999, den so genannten Unibonds, fühle er sich selbst getäuscht.

Noch bis vor kurzem hielt Zwettler eisern an seiner Theorie fest, die sich der gesamte Bawag-Vorstand 1998 verordnet hatte: "Wir haben nur Verluste verarbeitet, um die Bank zu retten." Genau 53 Verhandlungstage, die Aussagen von rund 80 Zeugen, viel Überzeugungsarbeit seiner Anwälte und Zuspruch seiner Familie hat es gebraucht, um Zwettler als ersten von neun Angeklagten aufzuwecken. Und, was wohl eine gewichtige Rolle bei der Wahl des richtigen Zeitpunkts gespielt haben dürfte: Diese Woche kommt jenes Gutachten auf den Tisch, in dem sich Gerichtssachverständiger Thomas Keppert mit der Frage der Bilanzfälschung beschäftigt.

Selbiges werden sich die Angeklagten allesamt nicht übers Bett hängen, so viel ist bereits klar. Was umso mehr für Zwettler gilt: der kleine Mann mit dem traurigen Blick war Bilanz-und Beteiligungsvorstand in der Bank, deren geheime "Sondergeschäfte" (so umschrieb man dort die fast ruinösen Geschäfte mit Investor Wolfgang Flöttl) über Bawag-Beteiligungen und Stiftungen liefen.

Ohne damit die Unschuldsvermutung, die bis zu einem rechtskräftigen Urteil gilt, verwässern zu wollen: Zwettler hat angesichts der erdrückenden Beweislage wohl realisiert, dass es doch ein wenig eng wird. Er kalkuliert die Möglichkeit, dass er das Straflandesgericht Wien dereinst nicht als unbescholtener und freier Mann verlassen wird, nun wohl zumindest in seine Lebensplanung mit ein. Ein reumütiges Geständnis aber kann man in Jahren messen – und die hat auch der 66-Jährige, der seine Kinderlähmung bezwungen hat, nicht zu verschenken.

Dass der Ex-Banker mit seinem Geständnis auch Helmut Elsner und Co. belastet, verwundert gar nicht. Immerhin hat Ex-Vorstandschef Elsner die Bank und das Klima ebendort fast ein Jahrzehnt lang mehr als geprägt, immerhin schiebt er seit Beginn des Strafprozesses gern Schuld in Richtung Zwettler: "Da müssen Sie die zuständige Fachabteilung fragen", pflegt Elsner bar eigener Erinnerung ("Ich kann mich nicht an Details erinnern") Richterin und Staatsanwaltschaft gern zu raten – und meint dabei fast immer: Zwettler.

Fast typisch Elsners Reaktion auf Zwettlers ebenso mutige wie anrührende Geständnisvorlesung: Diese mache ihn nachdenklich, aber "das mit den falschen Bilanzen" (Zwettler hat falsche Bilanzierungen jedenfalls für 1998 und 1999 gestanden) verstehe er nicht. Er, Elsner, habe mit Bilanzierung doch nichts zu tun gehabt.

Bleibt abzuwarten, ob Elsner das nach der "Winterpause" des Gerichts bis Mitte Jänner, nach neuerlicher Operation und Weihnachten in der Zelle auch noch so sieht.

Eines hat Zwettler nach einem halben Jahr öffentlicher Vergangenheitsaufarbeitung jedenfalls bewirkt: Aufatmen darüber, dass es zumindest einen Bawag-Altbanker gibt, der auch etwas Vernünftiges tun kann.

Einen, der Respekt verdient. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 27.11.2007)