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Der designierte Premierminister Rudd will sich zudem bei den Aborigines für die an ihnen begangenen Verbrechen entschuldigen. Howard hatte diese symbolische Geste abgelehnt, weil sich die Australier seiner Ansicht nach nicht für Fehler in der Vergangenheit schuldig fühlen sollten.

Foto: AP Photo/Rob Griffith
Der künftige australische Premier Kevin Rudd kündigte an, mit dem Kurs seines Vorgängers John Howard zu brechen. George W. Bush versicherte er dennoch seiner Freundschaft.

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„Wir haben unser Land zurück erhalten!“ Mit diesen Worten begrüßte der Kolumnist Alan Ramsey in der Sydney Morning Herald am Montag den überwältigenden Wahlsieg der Laborpartei unter dem künftigen Premierminister Kevin Rudd.

Allerdings war sein Artikel mehr eine Abrechnung mit John Howard, der Australien als konservativer Ministerpräsident mehr als elf Jahre lang regiert hatte. Der 68-jährige Howard hatte am Samstag nicht nur die Wahlen verloren, sondern mit großer Wahrscheinlichkeit auch seinen eigenen Sitz im Parlament. Die geschockten Konservativen suchen nun jedenfalls einen neuen Parteichef. Der erste Arbeitsschwerpunkt der Laborregierung dürfte das Schulwesen werden. Er habe alle Laborabgeordneten angewiesen, in den kommenden Tagen eine öffentliche und eine private Schule zu besuchen, sagte Rudd am Montag in Brisbane. Die Abgeordneten sollen in den Schulen über die Labor-Bildungspolitik diskutieren. Unter anderem versprach Rudd, jede Highschool mit einem Computer auszustatten.

Soldaten sollen heim

Auch außenpolitisch will Rudd von dem Kurs seines Vorgängers Howard abweichen. Rudd versprach im Wahlkampf den Abzug von 550 australischen Frontsoldaten aus dem Irak, rund 300 Soldaten sollen aber bleiben. In einem ersten Telefonat mit US-Präsident George W. Bush betonte Rudd aber die Bedeutung der guten australisch-amerikanischen Beziehungen. Die Labor-Regierung plant auch das Kioto-Klimaschutzprotokoll zu ratifizieren. Der designierte Premierminister will sich zudem bei den Aborigines für die an ihnen begangenen Verbrechen entschuldigen. Howard hatte diese symbolische Geste abgelehnt, weil sich die Australier seiner Ansicht nach nicht für Fehler in der Vergangenheit schuldig fühlen sollten. Von 1915 bis 1969 wurden tausende Aborigines-Kinder im Rahmen einer breit angelegten Assimilationspolitik ihren Familien entrissen und weißen Familien übergeben.

Das spektakuläre Ende der Howard-Ära hat einige Kommentatoren fast überwältigt. Selbst der Schriftsteller Thomas Keneally, Autor von „Schindler’s Liste“, fragte am Sonntag mit fassungslosem Staunen: „Ist Howard wirklich weg? Hat er uns nicht einfach wieder einmal ausgetrickst?“

"Erosion sozialer Gerechtigkeit"

Kommentatoren kritisierten am Montag aus Anlass des Machtwechsels die „Erosion sozialer Gerechtigkeit“, die unter Howard stattgefunden haben soll. Thomas Keneally, der mehrere Bücher zur australischen Geschichte geschrieben hat, geht mit der bisherigen Regierung hart ins Gericht. Er wirft ihr vor, in der Bevölkerung bewusst rassistische Gefühle gegen Flüchtlinge, Muslime und Indigene geschürt zu haben, um an der Macht bleiben zu können. Howard sei ein Meister der „Keilpolitik“ gewesen.

Der frühere Labor-Premierminister Paul Keating meinte: „Howard war der am stärksten Uneinigkeit stiftende Premierminister unserer Geschichte. Er war nicht einfach ein Konservativer, der am Status quo festhalten wollte. Er war ein militanter Reaktionär, der die Uhr zurück drehen wollte.“

Freundliches für Rudd

Wesentlich freundlichere Worte gab es noch für den designierte Premierminister Kevin Rudd. Seine Wähler hoffen vor allem darauf, dass mit ihm auch dem sozialen Ausgleich eine stärkere Bedeutung in der australischen Innenpolitik zukommen wird. Rudd bezeichnet sich selbst gerne als „christlichen Sozialisten“. In diesem Sinne nannte er auch den 1945 von den Nationalsozialisten ermordeten deutschen Pfarrer und Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer als „zweifelsohne den Mann, den ich in der Geschichte des zwanzigsten Jahrhunderts am meisten bewundere“. (Urs Wälterlin aus Canberra, DER STANDARD, Printausgabe 27.11.2007)