Kartografisch dort, wo man hin will

Diese Straßenkarte ist ausgesprochen praktisch. Da muss man nicht umständlich ewig blättern oder falten – diesen Plan rollt man einfach auf, bis man kartografisch dort ist, wo man hin will. Und da ist alles drauf, was man für die Reise wissen muss: Knotenpunkte und Etappenorte sind verzeichnet, Raststätten und die Entfernungen dazwischen. Vignetten informieren über Besonderheiten bestimmter Orte und die komfortablen Landhäuser erkennt man mit einem Blick, weil sie mit einem Innenhof dargestellt werden. Einfachere Absteigen sind mit schlichten Fassaden verzeichnet.

Foto: Standard/Cremer

Weltdokumentenerbe

Das einzige Problem: Diese höchst benutzerfreundliche Karte ist im gut sortierten Fachhandel nicht erhältlich – sondern vergriffen. Und zwar seit rund 800 Jahren. Denn die "Tabula Peutingeriana" ist "die einzige erhaltene Straßenkarte der Antike", wie Johanna Rachinger, Generaldirektorin der Österreichischen Nationalbibliothek erläutert. Montagabend wurde die Aufnahme der Tabula Peutingeriana in die Liste des Weltdokumentenerbes der Unesco mit einem Festakt gefeiert.

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Faksimile

Wobei es sich bei der in der Nationalbibliothek aufbewahrten Karte um eine Kopie handelt, die im späten 12. oder frühen 13. Jahrhundert in Süddeutschland oder Österreich angefertigt wurde. Das Original aus dem späten Römischen Reich entstand höchstwahrscheinlich in der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts. Wie man so etwas bestimmt? Auf der Karte sind sowohl Ravenna als auch Aquileia durch Vignetten mit einer Stadtmauer als wichtige Orte gekennzeichnet. Ravenna wurde aber im Jahr 402 Kaiserresidenz – und Aquileia verlor nach der Zerstörung durch die Hunnen im Jahre 452 jegliche Bedeutung. Ausgesprochen spannend ist auch der Aufbau der Karte: Dargestellt ist "das gesamte Römische Reich, von Spanien bis China, von England bis Nordafrika", wie Rachinger erläutert. Und das aber auf einem Pergament-Streifen von knapp sieben Metern Länge – und 34 Zentimetern Breite.

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Das Meer als Streifchen

"Es ist eine schematische Darstellung – wie der Plan eines U-Bahnnetzes", erklärt der Leiter der Handschriftensammlung, Andreas Fingernagel, die zusammengestauchten Länder und Meere. So wurde etwa der italienische Stiefel in die Quere gequetscht – und das Mittelmeer ist nur in Form von kleinen Streifchen darunter und darüber zu sehen. 4000 Ortschaften sind auf der Tabula verzeichnet – drei Städte werden durch ihre Stadtgottheiten personifiziert: Die Hauptstadt Rom, Konstantinopel, in dem die Kaiser seit Konstantin residierten – und Antiochia, die Hauptstadt Syriens. Einzigartig ist auch die Angabe eines 710 Meter langen Straßentunnels zwischen Neapolis und Puteoli, den es auch heute noch gibt.

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Vermächtnis

Benannt ist die Karte übrigens nach dem Augsburger Ratsschreiber Konrad Peutinger, dessen Familie die Tabula bis 1714 besaß. Dann gelangte sie in den Buchhandel – bis Prinz Eugen das Dokument im Jahre 1720 um 100 Dukaten erwarb und nach seinem Tod der Wiener Hofbibliothek vermachte. (Roman David-Freihsl/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 27.11. 2007)

Link: Österreichische Nationalbibliothek

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