Seit die Asfinag in die Schlagzeilen gekommen ist, steht der Vorwurf der massiven Geldverschwendung im Raum. Dabei wird eines übersehen: Die Asfinag hat in den letzten Jahren mit verschwindend geringem Finanzaufwand etwas geleistet, von dem fast jeder Bürger indirekt betroffen ist: Einen Beitrag zur Volksverblödung. Sie lässt nämlich besonders unfallträchtige Zonen auf Autobahnen durch Rutengeher "entstören". Esoterik im Auftrag der Republik, systematisch, hochoffiziell.

Das war nicht immer so. Früher gab es einzelne Versuche von übereifrigen und esoterisch angehauchten Mitarbeitern diverser Straßenmeistereien. Damals konnte man darüber noch lächeln. Als etwa die Kärntner Hellseherin und Rutengängerin Melitta Messner zur Entstörung des unfallträchtigen Autobahnknotens Klagenfurt-Nord gebeten wurde, erledigte sie das ohne jegliche technische Hilfsmittel, rein "mental". Die "Störzonen" wurden von ihr mittels geistiger Kraft einfach von der Autobahn entfernt und "auf eine verkehrsfreie Fläche übertragen". Ob deren Eigentümer davon begeistert war, ist nicht überliefert.

Akupunktur der Mutter Erde

Als die Asfinag vor einigen Jahren damit begann, Rutengeher systematisch einzusetzen, genierte sie sich noch ein bisschen. Der "Druide" Gerald Knobloch wurde unter viel Geheimnistuerei damit beauftragt, ein Stück der A9 zu entschärfen, auf dem sich Unfälle "unerklärlich" häuften. Knobloch ortete mit der Rute eine Zone "gestörter Energieflüsse". Auf die Diagnose folgte die Therapie. Der Druide akupunktierte Mutter Erde links und rechts der Autobahn durch Aufstellung je eines weißen Quarzblocks. Laut Asfinag ging daraufhin die Zahl der Unfälle zurück. Mit dieser Erfolgsmeldung traute man sich schließlich an die Öffentlichkeit. Die war aber nicht interessiert, zumindest in Österreich. So kam es, dass über die wundertätige Heilung der A9 in kanadischen Zeitungen berichtet wurde, nicht aber in österreichischen.

Autobahn, krank

Der längstdienende Autobahnheiler ist der 76-jährige Kärntner Ilmar Tessmann. Seit über zehn Jahren kämpft er gegen die Unheil bringenden Erdstrahlen. Anfangs war die Asfinag streng: "Es darf uns nichts kosten, kein Geld und vor allem kein Prestige!".

Als Unfallverursacher entlarvte Tessmann unter anderem "Kultstrahlen" und "morphogenetische Felder". Eine besondere Gefahr sieht er in Handymasten, die die Erdstrahlen gleichsam aus dem Boden saugen, verstärken und gnadenlos in alle Himmelsrichtungen verteilen.

Inzwischen ist Tessmann ein Profi. Wünschelrute braucht er keine mehr, die Störzonen ortet er mit der bloßen Hand. Als Gegenmaßnahme dienen ihm magnetisierte grüne Kärtchen, aufgemalte Symbole sowie diverse "Hohlraumresonatoren". Als studierter Theologe beherrscht Tessmann zwar auch die katholische Variante der mentalen Entstörung, also Segnungen und Gebete, allerdings haben die den Nachteil, dass ihre Wirkung durch "fluchende Autofahrer" rasch wieder aufgehoben wird.

"Steinzeit-GPs"

Die Bekanntheit des früheren Unternehmers und heutigen Pendlers Gerhard Pirchl rührt hauptsächlich daher, dass er in Vorarlberg prähistorische Steinkreise und unterirdische Adern aus Kieselsteinen entdeckt haben will, die als "Steinzeit-GPS" der Orientierung von Ötzi und seinen Kollegen dienten. Die Gemeinde Bürserberg, die ob der "Weltsensation" prompt eine Menge EU-Gelder versenkte, erntete internationales Gelächter, baute einen touristischen Megaflop und zog sich aus dem Projekt zurück. Die Asfinag dagegen entdeckte Herrn Pirchl als willigen und billigen Entstörmeister.

Das Unheil, so meint der 66-jährige Vorarlberger, entspringt gelben Steinchen, die ein "längsdrehendes Kraftfeld" abstrahlen. Dieses fährt den ahnungslosen Autofahrern mitten ins Hirn. Die Folge: Blackout und Unfall. Die Asfinag teilte Pirchl Westösterreich zu. Der nahm sich die berüchtigte Arlberg-Schnellstraße vor – erfolgreich natürlich, zumindest laut Pirchl und Asfinag.

Die Entstörung war arbeitsaufwändig. Alle paar Meter mussten Steine händisch im Boden vergraben werden, deren Kraftfeld dem störenden genau entgegenwirkt. Wie er die Richtung des Kraftfeldes mittels Pendel bestimmt, demonstrierte Pirchl in der Barbara Karlich Show. Pirchls Pendel änderte tatsächlich die Drehrichtung, als er es über einen "Kraftstein" hinweg bewegte. Dass er für diesen Effekt ganz ungeniert kräftig mit der Pendelhand ruderte, wie die Nahaufnahme gnadenlos zeigte, setzte selbst die Gastgeberin in Erstaunen.

Esoterik und Fortschritt

Der technische Fortschritt macht auch vor der Esoterik nicht Halt. Um Störzonen zu finden, muss Pirchl die Straße nicht mehr zu Fuß abschreiten. Er braust mit dem Geländewagen dahin und lässt das Pendel neben dem Lenkrad baumeln. Tatsächlich funktioniert die "Entstörung" genauso schnell. Eine Handvoll Kieselsteine im Auto dient dabei als "Kraftfeldkompensator".

Wissenschaftler haben untersucht, was die Wünschelrute zucken und das Pendel kreisen lässt. Es ist der Carpenter-Effekt, die Triggerung durch unbewusste Muskelspannungen. In unzähligen kontrollierten Testreihen wurde untersucht, ob Rutengeher das können, was sie behaupten – Wasser oder Störzonen aufspüren. Ergebnis: Sie können es nicht. Für jene, die es immer noch besser wissen, bietet die James Randi Educational Foundation eine Million Dollar für eine erfolgreich absolvierte Testreihe. Viele haben es versucht, keiner hatte Erfolg.

Die Asfinag legitimiert mit ihren abstrusen Aktionen einen alten Aberglauben. Wo das hinführen kann, zeigt ein Gespräch der Kronenzeitung mit einem Universitätsprofessor, der allen Ernstes vorschlug, unter dem Parlament einen Erdstrahlenschutz einbauen zu lassen: "Wünschelrutengänger sind wissenschaftlich umstritten, aber ich habe die Erfahrung gemacht: Da ist schon etwas dran." Es war der damalige Nationalratspräsident Andreas Khol. (Ulrich Berger*, DER STANDARD Printausgabe, 24.11.2007)